Die Weltgeschichte der Pflanzen
abgesonderten Platz für eine Art Hausaltar oder Schrein, wiederum kenntlich durch Statuettenfunde. Auch die Verstorbenen wurden im Haus oder in dessen unmittelbarer Umgebung beigesetzt. So blieb man im engen Kontakt mit dem Jenseits.
Diese Haltung hat ihre Wurzeln im Animismus und dem damit verbundenen Ahnenglauben der Wildbeuter. Es sind dies alles lokale, ja familiale Kultformen vor dem Hintergrund gemeinsamer und sehr weit verbreiteter religiöser Vorstellungen. Ein wesentlicher inhaltlicher Aspekt war die Fruchtbarkeit – der Frauen wie der Erde, die man sich als Mutter vorstellte, die immer wieder neues Leben hervorbringt. Erst in Jahrtausenden entwickelte sich darausauf einer höheren Ebene ein Kult der Großen Göttin, der vor allem in Anatolien seine bedeutendste bekannte Ausprägung erfuhr.
Alle Handlungen der Aussaat und Ernte waren mit kultischen Verrichtungen verknüpft. Wegen ihrer zentralen Funktion im Wirtschaftsleben der frühen Agrargesellschaften rückten die Frauen in zentrale kultische Stellungen, die bei den Jägern und Sammlern eher der Schamane innehatte. Man findet kaum Hinweise auf »männliche« Gottheiten; die Gesellschaften waren offensichtlich matrilinear und recht egalitär: Es gibt (beispielsweise anhand von Grabbeigaben) keine Hinweise auf herausgehobene Einzelne, »Paläste«, eine Krieger- oder Priesterkaste. Auch den späteren Griechen war bewusst, dass ihre Erd-, Fruchtbarkeits- und Getreidegöttin Demeter einer viel älteren religiösen Schicht entstammte; sie zählte nicht zu den olympischen Göttern.
Die Frauen waren Hüterinnen des Herdes, wobei das Backen und der Backofen eine besondere Rolle spielten. Opferbrote wurden zu bestimmten Anlässen gebacken und mit eingeritzten oder eingeprägten Symbolen versehen – nicht anders als unsere Weihnachtsplätzchen. Bei allen Völkern und in allen Epochen bestimmten seit jeher Speiserituale, ja religiös begründete Speisevorschriften den Zusammenhalt – nicht nur in sehr traditionell geprägten Gesellschaften wie der jüdischen (»koscher«) oder den islamischen (»halal«). Das kann man bis in die Gegenwart sogar in den westlichen Gesellschaften, zum Beispiel an der Tradition der Festessen, deutlich erkennen.
Um wie viel bedeutender müssen Rituale von Aussaat und Ernte vor Jahrtausenden gewesen sein angesichts all der Ungewissheiten, die mit dem Pflanzenwachstum Jahr für Jahr verbunden waren, und der existenziellen Folgen, die diese für die Gemeinschaft hatten. Von daher konnte ein Erntedank, in welcher Form auch immer, nicht großzügig genug ausfallen, einschließlich des Danks an die Götter, denen man das Wunder eines gelungenen Pflanzenwachstums zuschrieb.
Das griechische Wort kaminós , vom Griechischen fast gleichlautend in alle europäischen Sprachen verbreitet, ist nicht griechischen Ursprungs, sondern stammt aus einer der altmediterranen Sprachen und bezeichnete den Back- oder Brennofen, nicht zuletzt für Tonwaren. Griechisch keramiké ist ebenfalls ein Lehnwort aus einer jener viel älteren Sprachen. Die viel später einwandernden Griechen nahmen sehr viel Wissen aus diesen altmediterranen Kulturen auf und reicherten ihren Wortschatz mit einer Fülle von Lehnwörtern an. Man kann zahlreiche handwerkliche Begriffe nennen – und Pflanzenamen wie Kastanie oder Minze. (Im Kapitel »Anis« finden sich dafür weitere Beispiele.)
In der Spätphase der Keramikkulturen kam es in Mitteleuropa im Hinblick auf den Anbau verschiedener Weizenarten zu einer neuen Entwicklung. Die Vinča-Leute hatten die einfachen Weizenarten Einkorn und Emmer schon früh donauaufwärts mitgebracht. In den Donauländern und rund um Elbe und Oder blieb es noch lange dabei. In der späteren Jungsteinzeit gelangte durch die Ausbreitung der Trichterbecherkultur eine neue Weizensorte, der sehr hochwertige, sogenannte Nacktweizen, über die Rhône-Rhein-Schiene direkt vom Mittelmeer aus nach Mitteleuropa.
Die älteste Weizensorte ist Triticum monococcum var. boeticum , das Einkorn, von dem man heute noch Wildgräser im Irak findet. Als dieses von den ersten Ackerbauern in Kultur genommen wurde, entwickelte sich aus einer natürlichen Kreuzung von Einkorn und Spelt ( Triticum speltoides ) die Sorte Triticum turgdum var. dicoccoides und vielleicht noch einige andere Triticum -Varietäten. Aus Letzterem entwickelte sich der Emmer ( Triticum turgidum var. dicoccum ), der Vorfahre der Hartweizensorten, aus denen in Italien Pasta und in der
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