Die Weltgeschichte der Pflanzen
»Zuckerrohr«). Das Mittelalter und die Renaissancezeit kannten keinen Kuchen, allenfalls Früchtebrot. Das Baguette wiederum ist eine Errungenschaft des 19. Jahrhunderts. Das Stangenweißbrot stammt ursprünglich aus Wien.
Für Europa oder den Westen gilt ganz allgemein: Seit den Tagen der ersten Bandkeramiker arbeiteten jahrtausendelang 90 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung in der Landwirtschaft. Heute ist es in den modernen Industriegesellschaften des Westens genau umgekehrt. Der Wandel vollzog sich bekanntlich erst in den vergangenen 200 Jahren. Ein Faktor war die Industrialisierung, die Massen armer Landbevölkerung in die Städte zog, was zu einer Krise in der Landwirtschaft führte. Niemals hätten diese Massen jedoch ernährt werden können ohne eine erhebliche Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion. Eine Erfindung des Chemikers Justus von Liebig hat diese kolossalen Ertragssteigerungen möglich gemacht.
Liebig erkannte im Jahr 1840, dass Pflanzen Mineralstoffe wie Stickstoff, Kalium und Phosphat brauchen und sich durch Mineraldüngung das Wachstum und die Erträge erheblich steigern lassen. Wenn der Boden feucht genug ist, lösen sich die Mineralsalze im Boden auf, und die Pflanze kann sie mit den Wurzeln aufnehmen. Gülle, Mist und Kompost waren zwar schon seit der Frühantike als organische Dünger bekannt, aber die Wirksamkeit war offenbar begrenzt.
Heute sind auch die Nachteile des Düngens und vor allem des Überdüngens hinlänglich bekannt. Mitte des 19. Jahrhunderts erwies sich Liebigs Entdeckung aber zunächst als ein Segen. Umgehend begann man in Deutschland und England mit der chemischen Mineraldüngerherstellung, was aufwendige technische Verfahren erforderte, die erst bis zur Jahrhundertwende entwickelt wurden. Die Beschaffung von Guano und Salpeter aus Südamerika sowiedie Anlage von Kalisalzbergwerken zu Beginn des 20. Jahrhunderts sind in diesem Zusammenhang zu nennen.
Ein weiterer Spross der aufstrebenden Agrochemie, ebenfalls mit erheblichen Risiken und Nebenwirkungen verbunden, war die Entwicklung von Schädlingsbekämpfungsmitteln. So problematisch sie heute gesehen werden, auch sie trugen zur Verbesserung der Erträge bei.
Die letzte wichtige geografische Ausdehnung des Weizenanbaus fällt ebenfalls ins 19. Jahrhundert: Vor der europäischen Besiedlung Nordamerikas gab es dort keinen Weizen. Selbstverständlich hatten die europäischen Kolonisten das Getreide schon vor der Gründung der USA in die Neue Welt gebracht; die allmähliche Ausdehnung der jungen Vereinigten Staaten in den Wilden Westen fand allerdings erst im 19. Jahrhundert statt. In Bundesstaaten wie den beiden Dakotas, Kansas und Wyoming bis hinunter nach Texas und natürlich hinauf in die kanadischen Provinzen Alberta und Saskatchewan befinden sich heute die riesigen Anbauflächen. Es ist die aus Film und Fernsehen sattsam bekannte Landnahme des Weißen Mannes auf Kosten der Indianer. Sie erschloss den USA eine riesige agrarische Basis zur Ernährung einer großen Bevölkerung, machte das Land hinsichtlich der Grundernährung völlig unabhängig und produzierte enorme Überschüsse für den Export, weshalb die Preise an den amerikanischen Getreidebörsen den Weltmarktpreis für Weizen bestimmen. Typisch für den amerikanischen Anbau sind enorme Flächen und eine hochgradige Mechanisierung.
Gleiches gilt für den Weizenanbau in der Ukraine, im 19. Jahrhundert die Kornkammer Europas. Doch trotz aller Anstrengungen konnte die Sowjetunion ihre Bevölkerung im 20. Jahrhundert nicht mehr autark aus den ukrainischen Beständen ernähren. Sie war, mitten im Kalten Krieg, auf Weizenimporte aus den USA und Kanada angewiesen.
So war und ist der Weizen in seiner langen Geschichte auch eine politische Pflanze. Das moderne China nach Mao forciert gezieltden Weizenanbau, weil man weiß, dass sich nur damit die riesige Bevölkerung auf Dauer zuverlässig ernähren lässt. Die politische Führung strebt in dieser grundlegenden Frage nach dem Beispiel der USA größtmögliche Autarkie an. Die Chinesen lassen sich dafür sogar auf eine gewisse Umstellung und Verwestlichung ihrer Ernährungsgewohnheiten ein. China ist ja auch ein wichtiges Kaffeetrinkerland geworden.
Roggen
Roggen wird hauptsächlich als Brotgetreide verwendet. Auch wenn dieser in Deutschland seit der spätkarolingischen Zeit bis zum Zweiten Weltkrieg das wichtigste Getreide für Brot darstellte, steht Roggen unter den sieben weltweit bedeutenden
Weitere Kostenlose Bücher