Die Weltgeschichte der Pflanzen
Spanien teuer eingekauft werden. Die englische Außenhandelsbilanz gegenüber der neuen Kolonialmacht verschlechterte sich. Der spätere Gentleman-Pirat Walter Raleigh (circa 1553-1618) hatte schon als junger Offizier während der europäischen Religionskriege auf Seiten der Hugenotten gekämpft, wechselte dann aber das Fach und unternahm mit stillschweigendem Einverständnis der englischen Königin Elisabeth I ., deren enger Vertrauter er werden sollte (man munkelt sogar: mehr), Kaperfahrten auf dem Atlantik gegen spanische Schiffe. 1585 gründete er die erste englische Siedlung auf dem nordamerikanischen Kontinent, Roanoke, die jedoch bald wieder aufgegeben werden musste. Sie befand sich an einer Küste, die Raleigh »Virginia« nannte, zu Ehren seiner »jungfräulichen« Königin. (Das Gebiet von Roanoke gehört heute zu North Carolina.)
Die erste dauerhafte englische Siedlung war dann seit 1607 Jamestown, ebenfalls im damaligen Virginia, benannt nach dem Elisabeth-Nachfolger König Jakob (King James). Hier landeten alsbald weitere Schiffe mit englischen Siedlern, darunter der Farmer John Rolfe, später Ehemann der keineswegs legendären, sondern sehr realen »Indianerprinzessin« Pocahontas, welche 1616 am englischen Königshof empfangen wurde.
Rolfe (1585-1622) ist nach Herrn Nicotin die zweite Schlüsselfigur der Tabakgeschichte.
Bei Pocahontas’ Stamm handelte es sich um Algonkin-Indianer, die schon seit 1525 Kontakte mit den Spaniern hatten, die von Süden gekommen waren. (Florida blieb lange spanischer Besitz.) Die Algonkin waren relativ sesshaft, betrieben Fischfang, Bohnen-, Mais- und Gartenbau und zogen natürlich Tabak, der in England wegen seines kratzigen Geschmacks nicht beliebt war. Jamestown stand bei Rolfes Ankunft zusammen mit etwa 150 anderen Siedlernkurz vor dem Untergang. Die ortsansässigen Powhatan-Indianer hatten die Kolonie inzwischen ausgehungert, weil die Siedler, meist Abenteurer und keine Farmer, sich ihnen gegenüber anmaßend verhielten. Bei der Ankunft des Schiffes mit Rolfe waren die inzwischen nur noch 60 Überlebenden dem Hungertod nahe.
Trotz des strengen spanischen Ausfuhrverbots für Tabaksamen hatte Rolfe bereits in England Samen der Tabakpflanze aus der spanischen Kolonie Trinidad erhalten. In England ließen sich aus klimatischen Gründen daraus natürlich keine Pflanzen hochziehen. Rolfe war kein Farmer, sondern Geschäftsmann und hoffte, eines Tages seinen »englischen« Kolonialtabak profitabel ins Mutterland verkaufen zu können. Zwei Jahre lang beschäftigte er sich damit, das örtliche kratzige Indianerprodukt mit milderen Sorten aus den Antillen zu kreuzen. 1611 erzielte er so eine Pflanze, deren Tabak in Europa viel Anklang fand. Sein Virginia-Tabak ( Nicotiana tabacum ) wurde der Exportschlager der Kolonie und die bedeutendste Tabakart überhaupt. Schon Rolfe war bekannt, dass seine Antillen-Tabaksamen eigentlich aus dem Orinoko-Gebiet vom südamerikanischen Festland stammten. Er wollte seine Pflanze dementsprechend »Orinoko« nennen. Es bürgerte sich aber »Virginia-Tabak« ein.
Von den 75 bekannten Arten der Gattung Nicotiana erlangten nur zwei wirtschaftliche Bedeutung: Nicotiana rustica, die ursprünglich in Virginia angebaute Pflanze, und Nicotiana tabacum . Beide sind schon so lange Kulturpflanzen, dass man für sie nie eine Wildform fand.
Nicotiana tabacum erreicht in der Regel eine Höhe von zwei Metern, die Blätter werden bis zu 80 Zentimetern lang. Tabaksamen sind winzig klein und allein eine Samenkapsel der Tabakblüte enthält bis zu 5000 Körnchen. Daher kann sich Tabak unglaublich stark vermehren. Nikotin enthalten die Samenkörner allerdings nicht. (Bei anderen Pflanzen befinden sich die Wirkstoffe oft in den Samen.) Bei Tabak befinden sie sich in den Blättern.
Nicotiana rustica stammt aller Wahrscheinlichkeit nach von denWesthängen der Anden, aus dem heutigen Peru, also in etwa aus dem Heimatland der Kartoffel. Dort kommen zwei Wildarten vor, die sich in den Andentälern gekreuzt haben könnten. Das Gleiche gilt für Nicotiana tabacum , wo ein weiter südlich gelegenes Grenzgebiet zwischen Bolivien und Argentinien dafür infrage kommt.
Rustica wächst bei Weitem nicht so hoch wie Tabacum , höchstens anderthalb Meter, und die Blätter sind kleiner. Die Pflanze liefert den heute nicht mehr so gebräuchlichen, nur noch in Russland angebauten Machorka-Tabak. Die Tabakpflanzen verbreiteten sich schon lange vor Kolumbus über Mexiko nach
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