Die Weltgeschichte der Pflanzen
tournesol (»Sonnendreher«). In der Tat drehen sich die Blütenköpfe, in deren Innerem sich die braunen Röhren- und gelben Zungenblüten befinden, nach der Sonne – nicht jedoch die bemerkenswert großen Fruchtstände.
Die auffälligen, gelb leuchtenden Blätter der Pflanze sind keine Blütenblätter, sondern sogenannte Scheinblüten, während sich die unscheinbaren Blütenblättchen an den späteren Fruchtständen befinden. Bis zu 1000 Kerne kann eine Sonnenblume tragen.
Helianthus gehört als Gattung zu der artenreichen und weitverbreiteten Pflanzenfamilie der Korbblütler, wie auch die Heilpflanzen Arnika, Kamille und Ringelblume, ferner der Löwenzahn, die Gewürzkräuter Beifuß, Estragon, Wermut und einige bekannte »Gemüse« wie Artischocke, Chicoree, Schwarzwurzel und Kopfsalat.
Bei guten Voraussetzungen im Boden oder durch Düngung wächst Helianthus normalerweise zwei Meter hoch, was für eine einjährige Pflanze enorm ist.
Um 1830 entdeckte ein russischer Bauer, dass man aus den Kernen Speiseöl herstellen konnte. Die Folge war eine Revolution der russischen Landwirtschaft, zumindest im Süden Russlands und in der Ukraine mit ihren fruchtbaren Böden. Seitdem werden Sonnenblumenkerne dort ähnlich wie bei uns Erdnüsse geknabbert, nur in sehr viel größeren Mengen, was mit den rigorosen orthodoxen Fastenvorschriften zu tun hat, die den Verzehr von tierischem Fleisch und Fett für lange Zeiträume im Jahr untersagen.
Der plantagenmäßige Anbau von Sonnenblumen, insbesondere in Russland und in der Ukraine, dient vor allem der Produktion des Sonnenblumenöls als hochwertiges Speiseöl. Inzwischen sieht man den Sonnenblumenanbau zunehmend unter dem Aspekt nachwachsender Rohstoffe. Es geht wieder einmal um Sonnenblumenöl für Biodiesel, wenn auch nicht in den gleichen Mengen wie bei Raps und anderen Ölpflanzen.
Unter den weltweit wichtigsten Ölpflanzen steht Helianthus nach Palme, Sojabohne und Raps an vierter Stelle.
Größte Anbauländer sind Russland und die Ukraine, gefolgt von Argentinien, dem größten Exporteur. In Deutschland, vor allem in Norddeutschland, ist das Klima etwas zu kühl und feucht für einen ertragreichen Anbau: zu wenig Sonne für die Sonnenblume.
Die spiralförmige Anordnung der Blütenblätter und Samen ist eines der berühmtesten Beispiele für die mathematische Fibonacci-Reihe. Die Anzahl der Spiralen ist durch diese Reihe vorgegeben. Die Blätter oder Samen stehen im Goldenen Winkel zur Sprossachse. Pflanzen erzielen dadurch eine optimale Lichtausbeute. Anordnungen oder Maßverhältnisse entsprechend der Fibonacci-Folge sind ein häufig zu beobachtendes Phänomen bei Pflanzen und generell in der Natur. Das mathematische Phänomen ist eng verwandt mit den Proportionen des Goldenen Schnitts.
Als mathematisches Phänomen war die Fibonacci-Reihe bereits den antiken Kulturen bekannt, insbesondere auch in Indien. Der im Hochmittelalter im Nahen Osten weit gereiste italienische Mathematiker Leonardo da Pisa, mit bürgerlichem Namen Leonardo Fibonacci, vermittelte diese mathematischen Kenntnisse nach Europa. Fibonacci ist auch derjenige, der in seinem 1202 erschienenen Liber abaci das Rechnen mit den indisch-arabischen Zahlen in Europa einführte. Eine epochale Tat für Europa. Auf die geradezu mathematische Regelmäßigkeit der Anordnung von Blättern an Stängeln war auch Leonardo da Vinci aufmerksam geworden. Erstmals gründlich erforscht hat sie der Mannheimer Botanikerund Geologe Karl Friedrich Schimper (1803-1867). Um 1830 führte er als Erster Untersuchungen durch, veröffentlichte aber nichts darüber. Sein Schüler Alexander Braun setzte die Arbeit fort. Schimper und Braun gelten als die Begründer der Phyllotaxis, der Lehre von der Blattstellung.
Schimpers Ruhm beruht aber weniger darauf. Als Geologe ist er vielmehr der Entdecker der Eiszeiten. Schimper verstand als Erster, dass in einer damals nur schwer vorstellbaren grauen Vorzeit nicht nur die Alpen, sondern auch Teile Europas, Asiens und Nordamerikas von einem dicken Eispanzer bedeckt sein mussten. Er sprach 1836 zunächst von »Weltsommern« und »Weltwintern«, prägte dann aber auch selbst den Begriff »Eiszeit«.
Diese Vorstellung von vorgeschichtlichen Klimaschwankungen war für Schimpers Zeitgenossen schlechthin unfassbar; sie wurde zunächst rundweg abgelehnt. Genauso erging es 70 Jahre darauf Alfred Wegener mit seiner Theorie der Kontinentalverschiebung. Beider Vorstellungen sind heute eine
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