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Die Weltgeschichte der Pflanzen

Die Weltgeschichte der Pflanzen

Titel: Die Weltgeschichte der Pflanzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Seidel
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Nordamerika; Rustica bis ins heutige Kanada.
    Frühe französische Siedler im späteren Kanada haben dortige Cree-Indianer bei »Pfeifen-Zeremonien« beobachtet. Bei den Rauchopfern an die Götter seien die Pfeifen zuvor in alle vier Himmelsrichtungen gehalten worden, dann wurde der Rauch tief in die Lunge eingesogen und möglichst lange der Atem angehalten, möglicherweise als Vorbereitung auf schamanische Praktiken. Die dortigen Algonkin hingegen hätten das als Missbrauch der Pflanze betrachtet. Sie waren der Meinung: Wer eine Pflanze so missbraucht, wird auch von ihr missbraucht, indem sie Krankheit verursacht.
    Unter den Alkaloiden sind Koffein und Nikotin die bekanntesten. Letzteres wird in den Wurzeln der Tabakpflanze gebildet und in den Blättern und Stängeln eingelagert. So schützt sie sich gegen Fressfeinde. Tabak ist eine der wenigen Pflanzen, deren Wirkstoff durch Verbrennen freigesetzt wird, wobei sich der größte Teil des Nikotins auflöst. Aber schon der verbleibende Rest, der beim Rauchen inhaliert wird, genügt, um die bekannten Wirkungen hervorzurufen; es sind die eines Nervengifts.
    Als Nachtschattengewächs ist der Tabak mit Kartoffel, Tomate, Paprika (aus der Neuen Welt) und Aubergine (aus Asien) verwandt, die allesamt Giftstoffe enthalten. Berühmt für ihre Rausch- oder Giftstoffe sind in erster Linie die Nachtschattengewächse Alraune, Tollkirsche (Belladonna), Bilsenkraut und Stechapfel. Nachtschatten-Zierpflanzen sind Petunien.
    Zwischen 1616 und 1620 schnellte der Tabak-Export aus Jamestown, Virginia, von anfangs gut 2000 Pfund auf 120000 Pfund. 1624 verschiffte die Kolonie fast 150000 Pfund der nicht nur in den Kaffeehäusern Englands, sondern auch im Orient und in Asien heißbegehrten Ware.
    Virginia selbst veränderte sich durch den Tabakanbau tiefgreifend, mit negativen Folgen für die eingeborene Bevölkerung. Die stark wasserziehenden Tabakpflanzen trockneten die Böden aus. So wurde es für die Indianer immer schwieriger, ihren Gemüse- und Knollenanbau zu betreiben, wovon sie hauptsächlich lebten. Die stetig expandierenden Siedler verdrängten sie in immer schwieriger zu bearbeitendes Land, und die Indianer verloren allmählich ihre Lebensgrundlage.
    Mit dem Erfolg des Tabakanbaus kamen die großen Plantagen und massenweise Sklaven nun auch nach Nordamerika. Die ersten Sklaven wurden schon 1619 eingesetzt, also noch zu Rolfes Lebzeiten. Die Tabakpflanzer nahmen am Atlantischen Dreieckshandel teil, der im Zusammenhang mit dem Zuckerrohranbau in der Karibik entwickelt worden war: Die Schiffe brachten die »Kolonialwaren« nach Europa und nahmen auf der Rückfahrt an der afrikanischen Küste Sklaven an Bord, die sie über den Atlantik transportierten. Auf den Tabakplantagen in Virginia wurde erstmals das berüchtigte System entwickelt, das Arbeitskolonnen ein festes Tagesplansoll vorgab, dessen Erfüllung mit Härte erzwungen wurde.
    Nie hat es an Versuchen gefehlt, das Tabakrauchen zu verbieten. Bereits der Namensgeber von Jamestown, King James selbst, verfasste eine Streitschrift gegen Tabak und belegte die Einfuhr mit exorbitanten Zöllen, was allerdings nur den Schmugglern half. Man besann sich, senkte die Steuern wieder auf ein erträgliches Maß und erfreut sich bis heute und überall einer sprudelnden Einnahmequelle für den Staat. Der Steueranteil an einem Päckchen Zigaretten beträgt heute in Deutschland über 80 Prozent, das aus Tabak erzielte Steueraufkommen beläuft sich auf bis zu 20 Milliarden Euro. In vielen Ländern wurde die Tabak- und Zigarettenproduktion in staatlicher »Regie« betrieben, etwa in Frankreich, Italien und Österreich (von 1784 bis 1996). Deswegen konnte man dort Tabakwaren nur in den »Trafiken« und in anderen Ländern in ähnlichen lizensierten Geschäften kaufen.
    Trotz anfänglicher Versuche, die westliche oder koloniale (Un-)Sitte zu unterdrücken, verfielen auch Russland, China, Japan, Persien, Indien und das Osmanische Reich der Nikotinsucht. Die orientalische Welt brachte als Besonderheit die Wasserpfeife hervor. In Europa bediente man sich der Tabakpfeife, die man den Indianern abgeschaut hatte. Zigarren gab es zunächst einmal kaum, Zigaretten erst recht nicht. Am weitesten verbreitet war in Europa zunächst, zwischen 1600 und 1800, der Schnupftabak. Vor allem die Rokokozeit war die Hochzeit des Tabakschnupfens und Schnupftabaksdosen wurden Prestigeobjekte des Adels. (Das Bürgertum bevorzugte die Pfeife.) Die Mode mit der Dose kam

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