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Die Weltgeschichte der Pflanzen

Die Weltgeschichte der Pflanzen

Titel: Die Weltgeschichte der Pflanzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Seidel
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nordalpinen Ländern ist Paprika eine Anbaupflanze, obwohl diese ihrer Herkunft entsprechend eigentlich ein wärmeliebendes Sommergewächs ist. Die Verfügbarkeit aus holländischen Gewächshäusern und spanischen Folienplantagen rund ums Jahr verwischt für hiesige Verbraucher wie bei vielen anderen Pflanzen inzwischen völlig das natürliche Gefühl dafür, wann eine Pflanze »ihre« Jahreszeit hat. Selbst »naturbewusste« Bio-Käufer greifen im Dezember völlig bedenkenlos zu dieser Sommerware, die dann völlig aus der Zeit gefallen ist, und stören sich nicht an dieser Art von Künstlichkeit.
Avocado
    Ein weiteres Pflanzenwort, das die Europäer aus dem aztekischen Nahuatl übernommen haben, ist ahuacatl , was »Hoden« bedeutet. Es handelt sich um ein Lorbeergewächs aus Südmexiko, die Avocado. Ahuacatl wächst an Bäumen und hat eine mit Tomate, Paprika und Kürbis vergleichbare sehr lange Nutzungsgeschichte. Die Früchte (botanisch betrachtet: Beeren) fallen von selbst vom Baum und reifen nach. Wildformen hatten und haben in der Regel nur zehn Zentimeter große Früchte, aber selbst für »einfache« Indios vor Tausenden von Jahren war es nicht schwer nachzuvollziehen, für eine Anpflanzung lieber die Samenkerne einer zufällig großen Avocadobirne zu nehmen. Im Lauf der langen Zeit entwickelten sich Sorten, die an die jeweilige Umwelt (Höhenklima in den Bergen, trockeneres oder feuchteres Klima, salzige Böden beispielsweise auf den Antilleninseln) gut angepasst waren. Selbst die»Hass«-Avocado mit der dunkelbraunen, runzligen Schale ist eine zufällige Mutation, die 1930 in Kalifornien im Garten von Rudolph Hass entdeckt wurde. Die Sorte mit der grünen, glatteren Schale heißt Fuerte.
    Das Auffälligste an der Avocado ist ihr hoher Fettgehalt; es ist der höchste aller bekannten Obst- und Gemüsesorten. Avocadofett ist ein Grundstoff für Verwendungen in der kosmetischen und pharmazeutischen Industrie. Der Anbau des Avocadobaums ( Persea americana ) blieb lange auf Südamerika beschränkt. Erste Versuche der Spanier, Avocado nach 1520 in der spanischen Heimat anzubauen, gelangen nicht. Erst um 1800 gibt es Nachrichten von Avocadokulturen in Afrika, und in Asien noch einmal 50 Jahre später. Nach Florida kam die Avocado um 1880, und erst im 20. Jahrhundert wurde sie in den subtropischen Gebieten Südafrikas, Kaliforniens, Israels und Australiens angebaut.

Atomkraft? Nein Danke
Sonnenblume
    Bis endlich jemand darauf kam, dass man aus Sonnenblumenkernen auch Öl herauspressen kann, war Olivenöl (fast) das einzige in Europa bekannte und verwendete Pflanzenöl.
    Das einzige andere Pflanzenöl, das man aber auch erst seit dem 18. Jahrhundert nutzte, war Rapsöl. Man verwendete es in bescheidenem Umfang als Lampenöl. Als Speiseöl wäre Raps damals unbekömmlich gewesen. Ansonsten taugte Rapsöl noch als Grundlage zur Herstellung von Schmiermitteln für Dampfmaschinen und Eisenbahnen – dafür kamen weder Olivenöl noch Schweinefett in Frage.
    So war die Lage auf dem »Ölmarkt« bis circa 1830, sofern es um Pflanzenöl ging.
    Die einzige andere »Ölquelle« für Industrieöl, wiederum hauptsächlich Lampenöl, war Waltran, der aus Walspeck gewonnen wurde. Dieses riskante, aber hochprofitable Geschäft wurde seit dem 16. Jahrhundert von Nordsee- und Atlantikanrainerstaaten betrieben. Aber das ist keine Pflanzengeschichte.
    Seit ihrer Einführung und Verbreitung in Europa hat man die Sonnenblume lange Zeit nur als Zier- und Gartenpflanze gesehen. Helianthus annuus stammt aus der Neuen Welt, aber ausnahmsweise einmal nicht aus Mittel- oder Süd-, sondern aus Nordamerika. Ihr Anbau durch Indianervölker am Mississippi und in Zentralmexiko ist schon für die Zeit um 2500 v. Chr. belegt. Die botanische Heimat vermutet man in dem südlichen Gürtel der heutigen USA zwischen Rocky Mountains und Appalachen.
    Von Mittelamerika aus gelangte Helianthus (griechisch und lateinisch »Sonnenpflanze«) in einer nicht näher datierbaren präkolumbianischen Epoche auch nach Südamerika. Bei den Inka, die bekanntlich einem Sonnengott huldigten, genoss die Sonnenblume kultische Verehrung.
    Im präkolumbianischen Amerika hatte die Pflanze verschiedene unterschiedliche Bezeichnungen. In der Aztekensprache Nahuatl wurde sie chimalacatl oder chimalxochitl (»Schildgras« oder »Schildblume«) genannt. Alle Sonnenblumennamen in europäischen Sprachen sind ungefähr gleichbedeutend von englisch sunflower zu französisch

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