Die Weltgeschichte der Pflanzen
Karibik Orangensamen mit sich führte. Jedenfalls wurden in der ersten Hälfte des nachfolgenden Jahrhunderts, spätestens um 1550, Orangenplantagen in Florida angelegt, das damals Teil des spanischen Kolonialreiches war.
Angesichts der Fülle von all den für die Europäer erstaunlichen Pflanzen aus der Neuen Welt wird leicht übersehen, dass die Spanier auch umgekehrt schon sehr bald nach der Entdeckung Amerikas wichtige Anbaupflanzen in den Karibikraum brachten, die dort zu ökonomisch höchst bedeutsamen Produkten wurden: Orangen, Bananen und Zuckerrohr. Zucker wurde sogleich zu einem Welthandelsprodukt, Bananen und Orangen erst im 20. Jahrhundert.
Im nördlicheren, kühleren Europa entstand um der Orangen willen im 17. Jahrhundert, in der Barockzeit, eine völlig neue Architekturform, die Orangerie. Nach dem für ganz Europa tonangebenden Vorbild von Versailles waren ausgedehnte Garten- und Parkanlagen integraler Bestandteil einer barocken Schlossanlage. Die streng symmetrisch angelegten Beete, Rabatten und Alleen einschließlich Bassins, Brunnenanlagen und künstlicher Seen demonstrierten sinnfällig und höchst ästhetisch den Herrschaftsanspruch der absolutistischen Monarchen auch über die Natur. Sie sollte durch parademäßig aufgestellte und skulptural beschnittene Bäume und Hecken veredelt und dem vernunftgemäß ordnenden, überlegenen Geist des Menschen unterworfen werden.
Gleichzeitig war eine gärtnerisch derart aufwendige Anlage teuer im Unterhalt und diente dem ausgeprägten Repräsentationsbedürfnis der Herrscher. Dieses befriedigten sie schon seit dem Spätmittelalter und der Renaissance unter anderem durch dasSammeln von ausgefallenen, exotischen Gegenständen und Kunstwerken in »Wunderkammern«. (Was Pflanzen anbelangt, war seit der Renaissance ein durchaus ernst gemeintes botanisch-wissenschaftliches Interesse hinzugetreten, mit der Anlage von botanischen Gärten auf Initiative einzelner Fürsten.)
Angesichts dieser Vorliebe für allerlei Exotica waren nun die neuen, seltenen Pflanzen eine willkommene Bereicherung. Die imposanten Ananasfrüchte zierten fürstliche Tafeln, und insbesondere Orangen- und andere Zitrusbäume mit ihrem dunklen Laub und ihren goldglänzenden Früchten wurden in Kübeln in den Gartenanlagen aufgestellt. Damit die Bäume im Winter nicht erfroren, entwarfen Architekten repräsentative, stark durchfensterte Gebäude im Schlossstil jener Zeit, oft in der Hauptblickachse einer Parkanlage als deren krönender Abschluss. Für keine andere Pflanze sind jemals vergleichbare Architekturen geschaffen worden, die natürlich auch einen würdigen Rahmen für gewisse repräsentative Freizeitvergnügungen der Hofgesellschaft abgaben.
Mit dem Ende der absolutistischen Monarchien und ihren speziellen Lebens- und Repräsentationsformen endete der Bau von Orangerien. Inzwischen hatte sich die geistige Einstellung gegenüber der Natur gewandelt. Sie war nun nicht mehr »Symbol«, sondern Gegenstand wissenschaftlichen Interesses. Mit den Palmenhäusern wurden noch im 19. Jahrhundert Großarchitekturen für Pflanzen errichtet, doch sie dienten diesem neuen, völlig andersartigen Interesse und waren und sind natürlich wichtige bürgerliche Bildungsinstitutionen für diejenigen, die nicht in exotische Länder reisen können.
Orangenbäume können eine Höhe von über 20 Metern erreichen, als Plantagenpflanzen werden sie aber wie alle Obstbäume wegen der leichteren Ernte niedriger gehalten. Wie alle Zitrusfrüchte sind Orangen Rautengewächse; wobei die Zitrusfrüchte die wichtigsten Vertreter dieser Pflanzenfamilie sind. Das genießbare Fruchtfleisch besteht aus Segmenten, die durch dünne Wändevoneinander getrennt sind. Darin befinden sich Saftschläuche, die die Samen(-kerne) umschließen.
Alle Zitrusfrüchte bilden in ihren Blüten und Schalen angenehm duftende ätherische Öle – natürlich extra für die Parfümindustrie.
Die weitaus bedeutendste Verwendung von Orangen ist ihre Verarbeitung zu Saft. Weltgrößter Hersteller und Exporteur von Orangensaft ist heute Brasilien; dreiviertel dieser Exporte gehen in die Europäische Union und zwar als Orangensaftkonzentrat (knapp eine Million Tonnen pro Jahr). Brasilien erntet pro Jahr 18 Millionen Tonnen Orangen. Es folgen die USA mit elf Millionen Tonnen, hauptsächlich für den eigenen, großen Binnenmarkt. Erst dann kommen mit großem Abstand (rund vier Millionen Tonnen) Mexiko als drittgrößter Orangenerzeuger sowie
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