Die Weltgeschichte der Pflanzen
keineswegs als kleinwüchsige Wildformen nach Spanien und Italien gelangten, sondern als große Kulturfrüchte. Dargestellt sind gerippte Früchte nach Art unserer »Fleischtomaten«, die eher an Paprika als an die glatten Supermarkt-Sonderangebote unserer Tage erinnern.
Der strenge Geruch der Tomatenpflanze und das Vorurteil, das Nachtschattengewächs könne giftig sein, hielt die Gärtner lange davon ab, in Tomaten eine Speisepflanze zu sehen. Sie dienten als »Zierrath« in »Bouquetten«. Wenn sie überhaupt einmal gegessen wurden, machten sie nach damaliger Einschätzung »ein schweresund träges Geblüte«. (In der Tat sind Blätter, unreife Früchte und Stielansatz mäßig giftig.)
Um 1700 begann man, die Tomaten als Speise schätzen zu lernen, anscheinend in der Tat zuerst in Italien. Da die Tomate viel Wärme und Sonne braucht, war sie für den Anbau nördlich der Alpen nicht geeignet. In Deutschland und Österreich blieb sie daher bis etwa 1900 so gut wie unbekannt. Bei der Wiener Weltausstellung 1873 war sie noch ein ausstellungswürdiger Exot.
Kurz vor dem Ersten Weltkrieg gab es auf dem gesamten Gebiet des Deutschen Reiches erst 25 Hektar Anbaugebiet für Freilandtomaten. 25 Jahre später, kurz vor dem Zweiten Weltkrieg, waren es dann bereits 2000 Hektar. Auch in allen anderen Weltregionen begann der großflächige Anbau erst in der Zeit zwischen den Kriegen, als Tomaten zunächst zu einer wichtigen Konservenfrucht wurden. Diese Verpackungs- und Vertriebsart war damals etwas Neues. Nach der Ananas wurde nach dem Zweiten Weltkrieg auch die Konserventomate eine verbreitete und akzeptierte Darreichungsform.
Natürlich nicht erst seit der Zwischenkriegszeit, sondern bereits vorher gibt es Tausende von Sorten (Fleischtomate, Kirschtomate, birnenförmige, grüne, gelbe, weiße und sogar schwarze).
Unter den vielen Sorten unterscheidet man zwei größere Gruppen: Die Treibhaustomate ist als Holland-Tomate völlig in Verruf gekommen, weil sie in einem für die tropische Pflanze denkbar ungünstigen Anbaugebiet hochgezogen wird. Man achtete nur auf das Aussehen, rund und glatt. Denn ihr fader Geschmack war und ist für die Masse der Konsumenten egal. In High-Tech-Treibhäusern in Holland und Spanien werden Tomaten heute nicht einmal mehr in Erde gepflanzt, sondern auf einer düngergetränkten Mineralwolle hochgezogen. Immerhin bewahren die in Mitteleuropa angebauten Freilandtomaten einen gewissen Eigengeschmack.
Die andere Gruppe sind die älteren, eiförmigen Sorten wie die Roma. Sie wurden und werden in erster Linie industriell zu Tomatenmark oder Ketchup verarbeitet. Nach dem Desaster der Holland-Tomate landeten aber auch sie als authentischere Tomatengeschmacks-Träger wieder auf den Wochenmärkten und in den Supermarktregalen.
Botanisch gesprochen ist die Tomate eine Beere, die pflückreif ist, sobald ihre grüne Farbe in Richtung gelblich oder rosa verblasst. Dann reifen die Früchte von selbst nach. Als Nachtschattengewächs ist die Tomate verwandt mit der Kartoffel, dem Tabak und der Paprika.
Was den Geschmack einer Tomate ausmacht, ist von der Forschung noch längst nicht geklärt. Man weiß nur von etwa 800 Inhaltsstoffen und innerpflanzlichen Stoffwechselprodukten, die dafür in Frage kommen. Möglicherweise sind es nur eine Handvoll oder ein kompliziertes Wechselspiel der Substanzen. Biofirmen forschen an solchen Fragen, und sie testen auf der anderen Seite auch, was die Menschen überhaupt unter Tomatengeschmack verstehen und dann noch unter intensivem, fruchtigem Tomatengeschmack. Das steht nämlich bisher in keinem Lehrbuch und in keiner chemischen Formel.
Tomatenketchup ist nicht als Tomatenspezialität entstanden, die Verbindung der Tomate mit der Würzsoße kam erst später. Südchinesisch koetsiap bedeutet eigentlich Fischsoße. Koetsiap war ähnlich wie das bei den alten Römern allgegenwärtige aus Sardellen und Zutaten vergorene garum eine Würzsoße für alle möglichen Speisen. So wie Maggi. Die Briten übernahmen das Wort in verballhornter Aussprache ebenso wie allerlei südostasiatische Rezepte dafür – alle ohne Tomaten. Koetsiap , die Fischsoße, wurde in Asien wie in Britannien auf der Grundlage von allem Möglichen hergestellt: fermentierter Fisch, Sojabohnen, Schalotten, Pilze, Walnüsse. Derartige gut haltbare Fertigsoßen waren auch in der amerikanischen Küche schon in der Kolonialzeit beliebt und wurden im 19. Jahrhundert von vielen Herstellern angeboten oder auch
Weitere Kostenlose Bücher