Die Weltgeschichte der Pflanzen
als Trinkwasser länger genießbar zu halten. Das war seither der Hauptgrund für das allgegenwärtige Bierbrauen. Nicht-fließendes Wasser wird schnell faulig. Bier hält ohne Kühlung auch nicht ewig, aber es ließ sich länger lagern als Wasser. Die ständige Suche nach Zusätzen, nach Bierwürzen, diente denn in erster Linie dazu, das Getränk länger haltbar zu machen. Das war auch beim Hopfen so. Weil frisches Trinkwasser vor dem Ende des 19. Jahrhunderts kaum verfügbar war, gab es bis dahin fast nur alkoholische Getränke (mehr dazu im Kapitel »Apfel«).
Die Vergärung von Honig zu Met und die von Trauben zu Wein war in der Frühantike ebenfalls bekannt, aber Gerste war stets leichter und in größeren Mengen verfügbar, vor allem seit sie angebaut wurde. Daher war Getreidebier von Anfang an alltäglicher.
Erste »literarische« Erwähnungen von Bier gibt es im mesopotamischen Gilgamesch-Epos (»Der wilde Enkidu trank Bier … sein Geist ward gelöst«) und auf dem Codex Hammurabi (um 1750 v. Chr.), der berühmten Gesetzesstele des altbabylonischen Herrschers. Dort finden sich drakonische Strafen für »Bierweiber«, die beim Ausschank schummeln. Auffälligerweise ist im Zusammenhang mit dem Bierausschank immer von Frauen die Rede. Noch im Mittelalter war das Bierbrauen, gerade als Hausbrau, Frauensache. Schon die Sumerer und Ägypter kannten Dutzende verschiedener Biersorten – mit unterschiedlichen Anteilen von Gerste und Emmer und unterschiedlichen Würzzusätzen. Weil das Gebräu nicht besonders klar war, schlürfte man es mit Trinkhalmen.
Gerste ist die älteste nachgewiesene Getreidepflanze, die von der Jungsteinzeit bis zum heutigen Tag durchgängig angebaut wurde. Sie war lange Zeit auch das verbreitetste und mengenmäßig bedeutendste Getreide in der westlichen Hälfte des eurasischen Kontinents. Die anspruchslose Pflanze ist sehr anpassungsfähig an unterschiedliche Böden und Klimaten. Auch heute noch gibt es Wildarten in Mittelasien. Diese kamen früher in fast ganz Eurasien vor, auch in Ostafrika, aber nicht in China. In den Anfangszeiten der Neolithischen Revolution in China, die dort etwas später einsetzte als im Vorderen Orient, wurde im Norden nur Hirse, im Süden Reis angebaut. Weizen und Gerste kamen erst ab 1300 v. Chr. nach China, und das bereits als voll entwickelte Kulturformen.
Während der Bronze- und Eisenzeit, in der Phase der frühantiken Hochkulturen im Mittelmeerraum und Vorderen Orient, war Gerste das wichtigste Getreide. Gerstenbrei und Gerstenbrot waren der homerischen Epen zufolge nicht nur Futternahrung, sondern auch Brei und Brotnahrung der Menschen, neben dervon Anfang an großen Bedeutung der Braugerste. (Die homerischen Epen, entstanden um 700 v. Chr., sind natürlich sehr jung im Vergleich zu den Zeiträumen, die für Brotbacken und Bierbrauen veranschlagt werden müssen; doch sie sind eben die ältesten literarischen Belege.)
Als Brot- oder Breigetreide blieb Gerste bis in die jüngere Geschichte auch dort wichtig, wo sonst aus klimatischen Gründen kein anderes Getreide mehr gedeiht, zum Beispiel im Norden Europas.
Das Bier, das Kelten und Germanen tranken, wurde ohne Hopfen gebraut. Die Germanen nannten das Gebräu aluf oder ealof , ein im Deutschen untergegangenes Wort, das noch im englischen Ale weiterlebt sowie in allen skandinavischen und baltischen Sprachen. Hopfen als Bierzusatz kam erst im Hoch- und Spätmittelalter in Gebrauch. Bis dahin benutzte man andere Zusätze wie Gagel, auch Rauschmittel wie Bilsenkraut oder Stechapfel. Man kann mit einigem Recht vermuten, dass diese Bilsenkraut-Biere als Aufputsch- und Rauschmittel für Festlichkeiten oder sogar vor Feldzügen gebraut wurden – vielleicht der Schatten eines historischen Hintergrunds für die beliebte Asterix-Zaubertranklegende. Bilsenkraut ist darüber hinaus, und das war genauso wichtig, ein hervorragendes Konservierungsmittel.
Die Römer brauten ebenfalls Cervisia (benannt nach der Getreidegöttin Ceres), doch in den Mittelmeerkulturen stand immer der Wein im Vordergrund. Bier war in diesen Ländern eher ein Arme-Leute-Getränk.
Im frühen Mittelalter überdauerte die Bierbraukunst zunächst in den Klöstern. Dafür stehen exemplarisch die ältesten noch heute in Betrieb befindlichen Klosterbrauereien Weihenstephan und Weltenburg. Auch Hausbrau aus Brotteig und Brotresten war im Mittelalter völlig gebräuchlich. Das vollzog die Hausfrau sozusagen nebenbei im Kochtopf. Mit dem
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