Die Weltreligionen. Vorgestellt von Arnulf Zitelmann
beispielsweise
kam es nie zu einer Klosterbewegung, es sei denn in sektiererischen Abspaltungen. Auch im Islam konnte sich kein Mönchsstand
etablieren, Muhammad untersagte das klösterliche Leben den Gläubigen sogar ausdrücklich. Wegen seiner Verwurzelung im Judentum
blieb das Mönchstum den frühen Christen ebenfalls fremd. Der Laie ist bei den Christen der Normalfall, die Klosterzucht blieb
stets die Ausnahme und war ursprünglich eine Protestbewegung gegen die Verweltlichung der |65| Kirche. Im indischen Buddhismus ist die Ordenszugehörigkeit dagegen der Regelfall. Das Nirwana liegt außerhalb der Reichweite
von Laien. Nur religiöse Spezialisten, Mönche also, können sich ihm nähern.
Buddha hat diesen doppelten Standard offenbar nie hinterfragt. Seinen Weg empfand er als Mittelweg zwischen Zuchtlosigkeit
und asketischer Überregulierung, wie sie ihm bei den Jainas, den Nacktgehern und Todesfastern begegnete. Obwohl der indische
Buddhismus nur als Mönchsreligion denkbar ist, sah man darin nie eine Verletzung der Gleichheit aller Menschen. Im Lauf der
Wiedergeburten konnte jeder sein Karma so weit verbessern, dass auch ihm irgendwann der Weg in den Orden offen stand. Wer
Mönch wurde, hatte in den vergangenen Leben so viel verdienstvolles Karma gesammelt, dass er sozusagen von allein den Weg
in die Nirwana-Gemeinschaft fand.
Ausgeschlossen vom Eintritt in den Orden blieben darum alle Leute mit schlechtem Karma: Leprakranke, Behinderte, Verstümmelte,
Kastrierte, Epileptiker, Zwergwüchsige, Blinde, Lahme, Taube. Auch Diebe, Schuldner oder Sklaven galten als Menschen mit schlechter
karmischer Veranlagung – ebenso |66| Frauen. Erst nach eindringlichem Zureden seines Lieblingsjüngers Ananda fand sich Buddha bereit, Menschen weiblichen Geschlechts
eine Teilhabe an der Ordensgemeinschaft zu gewähren. Nonnen mussten sich allerdings ungleich strengeren Regeln unterwerfen
als Mönche. Auch darin sah keiner eine bewusste Diskriminierung. Jede Frau, die ein ehrsames Leben führte, konnte schließlich
irgendwann als Mann wieder zur Welt kommen.
|65|
Das Nirvana liegt außerhalb der Reichweite von Laien. Im Hintergrund ein Sutra.
|66| Frauen galten nicht als gleichwertige Menschen. Das sah auch der Erleuchtete so. Immerhin bleibt bei seinen zahlreichen negativen
Äußerungen gegenüber dem weiblichen Geschlecht zu bedenken, dass seine Worte nur durch die Mönche überliefert sind, und die
projizierten ihre sexuellen Wünsche per Umkehrung auf die andere Hälfte der Menschheit: So wurde die Frau zur dämonischen
Verführerin hochstilisiert. Einschlägige Äußerungen aus den Sangha-Texten, Buddha in den Mund gelegt, mag ich erst gar nicht
zitieren. Ich lasse es bei einem vergleichsweise milden Ausspruch bewenden. Befragt, wie man sich Frauen gegenüber verhalten
solle, antwortete der Meister: »Nicht ansehen.« Und wenn wir sie sehen? »Nicht mit ihnen sprechen.« Und wenn wir mit ihnen
sprechen? »Dann ist Besonnenheit nötig.« So weit, so schlecht.
Ich wüsste gern etwas über die Zusammensetzung von Buddhas erster Mönchsgemeinde. Wie die Jainas hielt Buddha sich nicht an
das Kastensystem. Ein derart hochkompliziertes Regelwerk hätte auch den Orden gesprengt. Die Ironie der Geschichte will es
allerdings, dass mit der buddhistischen Mission auch das indische Kastensystem in die Länder Südostasiens exportiert wurde.
Doch wenigstens im Sangha lebte man ohne soziale Barrieren. Befanden sich vielleicht sogar »Unberührbare«, von allen anderen
Kasten gemieden, unter der wandernden Buddha-Schar? Darüber ist mir leider nichts bekannt. Nach meinem Eindruck rekrutierten
sich die ersten Anhänger des Erhabenen überwiegend aus den beiden oberen Kasten, aus dem Opfer- und dem Wehrstand also, eine
aristokratische Klientel. Nebensätze bestätigen das. Der »edle« Mönch meidet die Lust, »die niedrig, bäuerisch, gemein und
unedel« ist. In den volkstümlichen Jataka-Erzählungen schließlich gilt es als sicher: »Ein Erleuchteter wird nicht unter Bauern
geboren, nicht unter den Hörigen. Er wird in der höchsten Kaste geboren, im Opfer- oder dem Wehrstand.« Im Sangha blieb man
also unter Seinesgleichen. Doch wie gesagt, das ist meine persönliche Ansicht. Vielleicht gab es tatsächlich »Unberührbare«
unter Buddhas ersten Jüngern. Die Sprache der Sutras zeichnet jedoch ein eher elitäres Bild. Man bediente sich, wie die Texte
zeigen, im Sangha
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