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Die Weltreligionen. Vorgestellt von Arnulf Zitelmann

Titel: Die Weltreligionen. Vorgestellt von Arnulf Zitelmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnulf: Zitelmann
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Gott vom Menschen, im Koran ist es umgekehrt.
    Ein winziger Unterschied in beiden Geschichten, aber er spricht Bände. In der Hebräischen Bibel befindet sich der Mensch in
     einer gewissen, allerdings nie genau zu definierenden Selbstständigkeit Jahwe gegenüber. Das kommt schließlich auch darin
     zum Ausdruck, dass sie beide als Partner in einer Art Solidarpakt agieren. Selbstständigkeit gegenüber Allah gilt dem Koran
     dagegen schon im Ansatz als Sakrileg. Den Menschen irgendwie neben, statt allein und immer unter Gott zu sehen, hieße Allah,
     dem Einen, etwas Zweites »beizugesellen«. Eine unverzeihliche Sünde, die des »Schirk«, für die der Koran viele Belegstellen
     liefert:
    »Seid Allah ganz ergeben, ohne ihm etwas zur Seite zu stellen! Denn wer Allah etwas zur Seite stellte, wäre wie einer, der
     himmelabwärts stürzte, und die Vögel erhaschten ihn oder der Wind würde ihn ins Nirgendwo tragen.« Weiter: »Sag, er ist Allah,
     ein Einziger, Allah, durch und durch, den man angeht in der Not! Er hat weder gezeugt, noch ist er gezeugt worden. Nichts
     ist ihm ebenbürtig.« Aussagen, die den Koran und alle Hadithen durchziehen: »Der Prophet, Allahs Segen und Heil auf ihm, sagte:
     ›Die eindrucksvollste Gedichtstrophe, die jemals ein Araber gesagt hat, ist die Strophe von Labaid, wo es heißt: Es ist wahr,
     alles was außer Allah ist, das ist nichts anderes als ein Nichts.‹«
    Es ist schwierig, wenn nicht gar unmöglich, die Realität außerhalb von Allah zu beschreiben. Es gibt sie nicht. Dennoch ist
     er nicht die Welt, geht weder in sie ein noch in ihr auf. Und weil er strikt außerhalb von ihr bleibt, ist die Welt ein Nichts.
     Das große Wunder, das Muhammad ehrfürchtig bestaunt, ist ihre unmögliche Existenz. Welt und Mensch: Ihr pures Dasein sind
     ihm der überwältigende |200| Anlass, sich immer neu Allah unterzuordnen. Die Welt ist nicht möglich, darum wird sie in jedem Augenblick neu geschaffen
     – von Allah. Würde dieser auch nur einen Augenblick der Schöpfung versäumen, wäre die Welt sogleich dahin.
    Bei Buddha war die Welt überwältigend, bei Muhammad ist Allah der Überwältigende, die Welt gegen ihn ein Nichts. Darum ist
     dem Propheten die einzig angemessene Weise zu leben, sich Allah ganz und gar zu ergeben. Muslimische Frömmigkeit, »sich zu
     verhalten wie die Leiche in der Hand des Leichenwäschers«, findet ihren höchsten Ausdruck im Sufismus, der islamischen Mystik:
     »Ich bin nicht ein Frommer und nicht ein Asket und nicht ein Gelehrter und nicht ein Sufi – o Gott, du bist Einer, ich bin
     eins von dir in deiner Einheit.« Und weiter: »Lange suchte ich Gott. Manchmal fand ich ihn, manchmal nicht. Jetzt bin ich
     dahin gekommen, dass ich, soviel ich mich selbst suche, mich nicht mehr finde. Ich bin ganz und gar Er geworden und alles
     ist Er.« »Befriedet« sein durch völlige »Ergebung«, das ist die Selbstdefinition des Islam.
    Verfügt der Mensch unter solchen Voraussetzungen überhaupt über so viel Selbstbestimmung, dass er von Allah abweichen, gar
     sündigen kann? Gibt es im Islam überhaupt so etwas wie eine persönliche Freiheit? An diesen Fragen bissen sich die muslimischen
     Theologen und Philosophen die Zähne aus, bis sie es schließlich aufgaben, eine Antwort zu finden. Allah bewirkt alles und
     jedes, zugleich jedoch ist der Mensch voll verantwortlich für sein Tun. Wie sich der Widerspruch auflöst, bleibt Allahs Geheimnis.
     »Ich weiß vieles, was ihr nicht wisst«, ist eine oft wiederholte Selbstäußerung Allahs im Koran. Eben darum weiß er auch um
     der Menschen Hinfälligkeit und Schwachheit und erbietet sich ihnen als ihr Retter und Erbarmer. Die stehende Gebetshaltung
     des Gläubigen mit den ausgestreckten offenen Innenhänden, die der Herr füllen möge, bildet das Vertrauen in Allahs Erbarmen
     ab. Der Prophet sagte: »Allah setzt einen Engel zur Aufsicht über jeden Uterus. Dann sagt der Engel: O Herr, ich sehe den
     Samen! O Herr, jetzt sehe ich einen Klumpen! O Herr, jetzt ist es ein Stück Fleisch! Und dann, wenn Allah seine Erschaffung
     vollenden will, fragt der Engel: O Herr, wird es ein Junge oder ein Mädchen sein? Ein böser oder ein guter Mensch? Und wie
     wird er seinen Unterhalt finden? Wie alt soll er werden? – Alles das ist bereits schon festgeschrieben, wenn das Geschöpf
     noch in seiner Mutter Leib ist.« Für den Muslim ist Allah alles.
    |201| Islam und Christentum: Verschiedene Jesus-Lehren
    Das

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