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Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere

Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere

Titel: Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Lewycka
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Manchmal vermisst sie das Kollektivihrer merkwürdigen Miteltern richtig: Chris Howe und der rote Fred, die Oolie-Annas Namen ausgesucht hatten, stellten Theorien über die Entwicklung der sozialistischen Persönlichkeit auf. Der rote Fred trug jahrein, jahraus denselben dungfarbenen Pullover mit der über die Ohren gezogenen Wollmütze und roch nach Käse und Abfluss, aber er spielte Gitarre und erzählte spannende Gutenachtgeschichten von Lennies Abenteuern in Spinnland. Und Chris Howe, dick und rosa wie eine Wurst, stolzierte nur mit einem T-Shirt bekleidet herum, und die Kinder kicherten wie wild. Moira Lafferty mit ihrem schönen Haar und den Muschelketten bastelte mit ihnen Masken und Fingerpuppen. Chris Watt führte das Gemüseschnitzen in der Kommune ein, um die Gemüsehaftigkeit von Gemüse zu verbergen, damit die Kinder, die über alles, was grün oder knackig war, die Nase rümpften, so tun konnten, als würden sie etwas anderes essen. (Clara hat festgestellt, dass der Trick bei ihr immer noch funktioniert, und bei Jason offensichtlich auch.) Und eine Weile war auch die merkwürdige Megan dabei – so nannten die Kinder sie, weil sie nie ein Wort sagte.
    So viele Mütter und Väter, die einen mit ihren guten Absichten verkorksten. Clara seufzt, als sie an die schmuddelige Vertrautheit des Spielzimmers in Solidarity Hall denkt, mit der himmelblauen Decke und den Regenbögen an den Wänden und den staubigen Bücherstapeln in der Ecke und dem irren Glauben, den ihnen die Großen eingepflanzt hatten, dass sie die Mission hätten, die Welt zu verändern.
    »... (ye-ea) we wept, when we remembered Zion ...«
    Vielleicht hat Doro recht – vielleicht wäre es doch schön, noch einmal alle zusammenzutrommeln. Aus einer schweren lila Wolke, die tief über der Stadt hängt, platschen ein paar dicke Regentropfen auf die Windschutzscheibe. Die Luft riecht feucht und stickig. Sie stellt die Scheibenwischer an und betet, dass es zum Gemeindetag morgen aufklart.

Serge
    High Heels
    Regen liegt in der Luft, als Serge sich dem Strom anschließt, der gegen Feierabend aus den Büros quillt; einzelne Tropfen landen auf seinem Kopf, aber die Luft ist warm und sie trocknen schnell wieder. Er fragt sich, wohin Maroushka so schnell verschwunden ist. Die Franzosen und der Hamburger sind ein paar Schritte voraus, und er hält Distanz, bereit, sich abzusetzen, falls Maroushka wieder auftaucht.
    Im Kielwasser der anderen überquert er den Platz vor St. Paul’s Cathedral auf dem Weg zu einer Weinbar, die dem Hamburger zufolge den ultimativen Burgunder auf Lager hat. Dann bleibt sein Blick an etwas Gelbem mitten im Freitagabendgetümmel hängen. Ja, es ist Maroushka. Seltsamerweise genau an derselben Stelle, wo er sie neulich gesehen hat, als er mit Doro Kaffee trinken war. Ein Zufall? Ein Muster?
    Er sondert sich von der Gruppe ab und geht in Maroushkas Richtung. Sie schlängelt sich durch die schwitzende Feierabendmenge und die Touristen, die sich um die Kathedrale drängen. Sie verschwindet. Dann sieht er sie wieder. Die gelbe Jacke ist leicht zu erkennen. Sie lockt ihn wie ein Leuchtfeuer. Poesie strömt durch seine Adern.
    Prinzessin Maroushka!
    Höre das Lied von Serge!
    Spürst du der Sterne Stärke,
    Die über uns am Himmel ziehn?
    Blasse Fibonacci-Spiralen in fernen Galaxien.
    Wir atmen kaum,
    Warten auf den Blitz
    Und trinken Slibowitz.
    Na gut, vielleicht nicht Slibowitz.
    Plötzlich drängt sich jemand an ihm vorbei, eine dünne große Frau mit blonden Strähnchen und einer Louis-Vuitton-Tasche am Arm.
    »Ganz ruhig, Lady«, murmelt er, aber sie ist schon außer Hörweite und rempelt sich in Maroushkas Richtung durch die Menge. Sieht fast so aus, als wäre sie ihr auf den Fersen.
    Als sie ihr näher kommt, stößt sie einen langgezogenen Schrei aus, etwas zwischen Stöhnen und Kriegsgeheul. Maroushka hört es, dreht sich um, sieht die Frau und läuft los. Auch die Frau beginnt zu laufen. Serge folgt ihnen, kämpft sich hinter ihnen durch die Menge, ohne sie aus den Augen zu verlieren.
    Die Blonde ruft etwas, das wie »Marinekonflikt!« klingt.
    Was zum Teufel ist hier los?
    Maroushka dreht kurz den Kopf und schreit: »Geh weg, verpiss dich!« über die Schulter, dann legt sie noch einen Zahn zu – doch ihre hohen Absätze sind gegen sie, sie schwankt heftig, es sieht aus, als könnte sie sich jeden Moment den Knöchel brechen.
    Die Blonde, die flache Schuhe trägt, holt auf.
    Soll er eingreifen? Irgendetwas sagt ihm, dass

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