Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wesen (German Edition)

Die Wesen (German Edition)

Titel: Die Wesen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Lux
Vom Netzwerk:
Menschheit neu geschrieben werden muss, ist auch für die Kirche kein Platz mehr. Wenn klar wird, dass Gott so nicht existiert, fällt ihre Macht in sich zusammen.“
    „Was ist eigentlich mit Schüssli passiert?“
    „Er liegt im Krankenhaus.“
    „Und er hat gekündigt!“, sagte von Stein.
    „Dann brauchen sie ja einen neuen Assistenten? Figaro?“
    „Ich habe vom Assistentenspielen genug.“
    „Und ihr Bione-Scanner? Hatten die Chinesen kein Interesse, ihnen den abzunehmen? Schließlich wären sie so in die Höhlen gekommen.“
    „Sie haben uns doch aufgefordert, alles fallen zu lassen, als wir aus der Höhle kamen. Das habe ich auch gemacht. Jetzt liegt er in tausend Teilen am Fuß des Kailash. Aber ich habe alles hier drin“, sagte er und tippte sich mit dem Finger an die Stirn.
    „Nun, dann hat ja doch noch alles ein gutes Ende gefunden“, meinte Sam.
    „Ich fürchte“, sagte Lhatsen, „es hat gerade erst angefangen.“
     
     
     

Leseprobe
     
     
    Prolog
     
    „Freiwillige vor! Deserteure erschießen!“
    Selbst der Sturm kam nicht gegen General Hüens Stimme an.
    Im Gleichschritt bewegte sich ein Dutzend Soldaten auf die Höhle zu.
    Schreiend vor Schmerz, fasste sich der Erste an den Kopf.
    Schüsse hallten von den schneebedeckten Bergen.
    Stumm, in verzerrten Verrenkungen, fiel ein Weiterer zu Boden. Sein Gesicht vom Wahnsinn gezeichnet.
    In Panik drehte ein Dritter um und lief geradewegs in den Kugelhagel, der ihn erlöste.
    Bis zum Eingang der Höhle waren alle tot, oder hatten ihren Verstand verloren.
     
     
    1
     
    Herzrasen. Laima Liepa schlug die Augen auf. Was für ein Albtraum! Sie war in einer Höhle. Furchtbare Gefühle hatten sie gepackt. Die Beklemmung ließ nur langsam nach.
    Das liebevolle Gesicht ihrer Mutter war über sie gebeugt. Sanft strich sie Laima die Stirn.
    Die Hitze in der kleinen Dachwohnung der Jana Seta eins hatte über Nacht kaum nachgelassen.
    Ihr Schädel pochte und brachte damit die unangenehme Erinnerung an den gestrigen Tag zurück. An eine Flasche Wein, mit der sie versucht hatte, das nackte Fleisch zu verdrängen. Nichts, gar nichts war mehr an seinem Platz. Die frühere Maschine, Tooms mit ihrer besten Freundin Linda im Bett.
    Erst hatte sie geheult. Dann die Flasche Wein getrunken. Sie trank nie. Schon wegen ihres Vaters nicht. Zu viele schlechte Erinnerungen. Ein Déjà-vu. Das Krankenhaus ihrer Mutter, als sie ihren Vater mit einer der Schwestern hinter einem Vorhang erwischte. Die Entscheidung über die Ehe ihrer Eltern sollte Laima mit ihrem Schweigen tragen. Ihre Mutter hatte es zum Schluss selbst entschieden. Es war nicht die erste Frau und das Trinken hatte über die Jahre alles noch schwieriger gemacht. Damals wohnten sie in einem Randbezirk Rigas.
    All diese Erinnerungen kamen ihr gestern Abend auf der alten Wehrmauer vor dem Küchenfenster. Sie hatte auf den Turm der Peterskirche gestarrt. Eine seltsame Ruhe hatte dann von ihr Besitz ergriffen. Unter ihr die lautstarken englischen Touristen in den Lokalen. Über ihr die kreischenden Möwen vor dem nicht erlöschenden Himmel der Weißen Nächte. Jeder Sinn, jeder Halt hatte sich aufgelöst. Gleichzeitig wurde alles leise und still.
    Ihre Mutter reichte ihr eine dampfende Tasse Tee. Der Duft von Lindenblüten. Die zwei schwarzen Katzen, Filips und Franzene, rollten sich auf der Decke zu ihren Füßen zusammen.
    „Gibt es Liebe, Mama?“
    „Aber sicher. Ich liebe dich. Die Katzen lieben dich.“
    „Ich meine echte Liebe.“
    „Ist das keine echte Liebe?“
    „Zwischen Mann und Frau meine ich. Nicht nur Sex. Ich denke, es ist alles eine Wunschvorstellung. Wir wünschen uns Liebe und glauben, wir bekommen sie. In Wahrheit bilden wir uns das nur ein.“
    „Du solltest deinen Blick nicht nur auf das richten, von dem du gerade glaubst, dass es nicht da ist. Damit verlierst du aus den Augen, was dich gerade in diesem Augenblick umgibt und berührt.“
    „Kannst du nicht einfach Ja sagen?“
    „Würdest du mir denn glauben?“
    Laima lächelte und nahm einen Schluck Tee.
    „Warum müssen Mütter einen immer so gut kennen?“
    „Weil dieser kleine Dickkopf mir schon seit siebenundzwanzig Jahren an den Nerven zerrt“, sagte sie und wuschelte ihr mit der Hand durch die Haare. „Und das ändert sich so schnell wohl nicht, wie es aussieht.“
    Laima genoss die Anwesenheit ihrer Mutter.
    „Das Krankenhaus hat schon drei Mal angerufen. Eine Kollegin ist ausgefallen. Ich werde gleich

Weitere Kostenlose Bücher