Die Wespenfabrik
Streichhölzern in die Hand und zündete die Kerzen
an; sie brannten gelblich, und ich kniete mich hin, ballte die
Hände zu Fäusten und dachte nach. Fünf oder sechs
Jahre zuvor hatte ich die Gerätschaften zur Herstellung von
Kerzen im Schrank gefunden und monatelang mit Farben und
Zusammensetzungen herumexperimentiert, bevor mir die Idee kam, das
Wachs als Wespengefängnis zu benutzen. Ich blickte auf und sah
den Kopf einer Wespe, der aus dem oberen Ende einer der Kerzen auf
dem Altar herausragte. Die frisch angesteckte Kerze, blutrot und dick
wie mein Handgelenk, enthielt die stille Flamme und den kleinen Kopf
in ihrem Krater aus Wachs wie Teile eines uralten Spiels.
Während ich zusah, befreite die Flamme, die einen Zentimeter
hinter dem wachsüberzogenen Kopf der Wespe brannte, die
Fühler vom Fett, und sie richteten sich kurz auf, bevor sie
zusammensackten. Der Kopf begann zu rauchen, als das Wachs von ihm
abtropfte, dann fingen die Rauchschwaden Feuer, und der
Wespenkörper, eine zweite Flamme in dem Krater, flackerte und
knisterte, während das Feuer das Insekt vom Kopf abwärts
verzehrte.
Ich entzündete die Kerze im Schädel des Alten Saul.
Diese Kugel aus Knochen, ausgehöhlt und vergilbt, hatte all jene
kleinen Kreaturen getötet, die ihrem Tod im Schlamm am
gegenüberliegenden Ufer des Meeresarmes begegnet waren. Ich
beobachtete die rauchende Flamme, die in jenem Raum flimmerte, der
einst das Gehirn des Hundes beherbergt hatte, und ich schloß
die Augen. Ich sah wieder den Kaninchenhain vor mir, mit den
brennenden Körpern, die sprangen und rannten. Ich sah wieder das
eine Tier vor mir, das dem Hain entkommen war und starb, kurz bevor
es den Meeresarm erreichte. Ich sah den Schwarzen Zerstörer und
erinnerte mich an seine Auflösung. Ich dachte an Eric und fragte
mich, was es mit der Warnung der Fabrik auf sich haben mochte.
Ich sah mich selbst, Frank L. Cauldhame, und ich sah mich so, wie
ich hätte sein können: ein großer schlanker Mann,
kräftig und entschlossen, seinen Weg durch die Welt machend,
zielstrebig und seiner Sache sicher. Ich öffnete die Augen und
schluckte und atmete tief durch. Stinkende Flammen zuckten aus den
Augenhöhlen des Alten Sauls. Die Kerzen zu beiden Seiten des
Altars flackerten gemeinsam mit der Schädelflamme im
Luftzug.
Ich sah mich im Bunker um. Die konservierten Köpfe der
Möwen, Kaninchen, Krähen, Mäuse, Eulen, Maulwürfe
und kleinen Eidechsen blickten auf mich herab. Sie hingen zum
Trocknen in kleinen Schlingen aus schwarzem Garn, festgebunden an
einem langen Stück Schnur, das an den Wänden entlang von
Ecke zu Ecke gespannt war, und düstere Schatten drehten sich
langsam an den Wänden hinter ihnen. Ringsherum am Fuß der
Wände, auf Sockeln aus Holz oder Stein oder auf Flaschen und
Dosen, die das Meer angespült hatte, beobachtete mich meine
Sammlung von Totenschädeln. Die gelben Stirnbeine von Pferden,
Hunden, Vögeln, Fischen und Hornschafen waren auf den Alten Saul
gerichtet, einige Schnäbel waren geöffnet, einige Kiefer
klafften auseinander, andere waren geschlossen, die Zähne wie
eingezogene Krallen freigelegt. Rechts von dem Altar aus Backstein,
Holz und Beton, auf dem die Kerzen und der Schädel standen,
waren meine kleinen Fläschchen mit wertvollen Flüssigkeiten
aufgebaut; links türmte sich ein hoher Satz von
Plastikschubladen, gedacht zum Aufbewahren von Schrauben, Dichtungen,
Nägeln und Haken. Jede Schublade, nicht viel größer
als eine Streichholzschachtel, enthielt den Körper einer Wespe,
die in der Fabrik bearbeitet worden war.
Ich griff nach links zu einer großen Blechbüchse,
lockerte den festsitzenden Deckel mit meinem Messer und benutzte
einen kleinen Teelöffel, der in der Dose lag, um etwas von der
weißen Mischung aus der Dose auf eine runde Metallplatte vor
dem Schädel des alten Hundes zu stäuben. Dann nahm ich den
ältesten der Wespenkadaver von dem kleinen Tablett und tauchte
ihn in die aufgehäuften weißen Körnchen. Ich
verstaute die verschlossene Büchse und die Plastikschublade
wieder an ihren Plätzen und zündete den winzigen
Scheiterhaufen mit einem Streichholz an.
Die Mischung aus Zucker und Unkrautvertilger zischte und loderte;
das grelle Licht brannte sich durch mich hindurch, und Rauchwolken
stiegen auf und hüllten meinen Kopf ein, während ich den
Atem anhielt und meine Augen tränten. Nach einer Sekunde erlosch
die Flamme; von der Mischung und der Wespe war nur noch ein einziger
schwarzer Klumpen
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