Die Wespenfabrik
Feldern und Wäldern herum, gehe viel zu
Fuß und werde hin und wieder von einem Auto mitgenommen, und
wenn ich in die Nähe einer Stadt komme, suche ich mir einen
schön fetten, saftigen Hund aus und freunde mich mit ihm an und
nehme ihn mit in den Wald und schneide ihm die Kehle durch und esse
ihn. Was könnte einfacher sein? Ich liebe das Leben in der
freien Natur.«
»Du kochst sie aber doch wenigstens, oder?«
»Natürlich koche ich sie. Scheiße!« sagte
Eric in beleidigtem Ton. »Für wen hältst du mich
denn?«
»Und das ist alles, wovon du lebst?«
»Nein, ich klaue mir auch was. Ladendiebstahl ist so leicht.
Ich klaue Sachen, die ich nicht essen kann, nur so zum Spaß.
Wie Tampons und Mülleimereinsätze aus Plastik und
Partypackungen Knabbergebäck und einhundert
Cocktailspießchen und zwölf Kuchenherzen in verschiedenen
Farben und Fotorahmen und Lenkradhüllen aus unechtem Leder und
Handtuchhalter und Weichspüler und doppelt wirksame
Luftreiniger, um lästige Küchengerüche zu tilgen, und
niedliche kleine Kästchen für dies und das und
Zehnerpackungen von Kassetten und verschließbare Tankdeckel und
Plattenputzer und Telefonverzeichnisse, Schlankheitshefte,
Topfhalter, Packungen mit Aufklebern, künstliche Wimpern,
Make-up-Sortimente, Antirauchmittel, Spielzeuguhren…«
»Magst du kein Knabbergebäck?«
»He?« Er hörte sich verwirrt an.
»Du hast Partypackungen Knabbergebäck unter den Dingen
aufgezählt, die du nicht essen kannst.«
»Um Himmels willen, Frank, könntest du eine Partypackung
Knabbergebäck essen?«
»Und wie lebst du so? Ich meine, du schläfst doch
bestimmt ziemlich hart. Erkältest du dich nicht oder
so?«
»Ich schlafe nicht.«
»Du schläfst nicht?«
»Natürlich nicht. Man braucht keinen Schlaf. Das ist nur
etwas, das sie einem einreden, damit sie die Kontrolle über
einen haben. Niemand braucht Schlaf; wenn man Kind ist, reden sie
einem ein, daß man schlafen muß. Wenn man wirklich dazu
entschlossen ist, kommt man darüber hinweg. Ich habe mir das
Bedürfnis zu schlafen abgewöhnt. Ich schlafe jetzt
überhaupt nicht mehr. Auf diese Art ist es viel einfacher, Wache
zu halten und aufzupassen, daß sie sich nicht an einen heranschleichen, und man bleibt in Bewegung. Es geht nichts
darüber, in Bewegung zu bleiben. Man wird wie ein
Schiff.«
»Wie ein Schiff?« Jetzt war ich verwirrt.
»Wiederhol doch nicht immer alles, was ich sage, Frank!«
Ich hörte, wie er weitere Münzen in den Schlitz steckte.
»Ich werde dir beibringen, ohne Schlaf auszukommen, wenn ich
dort bin.«
»Danke. Was meinst du, wann du hier ankommst?«
»Früher oder später. Ha ha ha ha.«
»Hör mal Eric, warum ißt du Hunde, wenn du dir
doch alles klauen kannst?«
»Das habe ich dir doch schon erklärt, du Idiot. Von dem ganzen Zeug kann ich doch nichts essen.«
»Aber warum klaust du dann nicht Sachen, die du essen kannst,
anstatt das Zeug zu klauen, das du nicht essen kannst, und dich mit
den Hunden herumzuquälen?« schlug ich vor. Ich wußte
bereits, daß das keine gute Idee war; ich hörte selbst,
wie meine Stimme im Laufe des Satzes immer höher anstieg, und
das war stets ein Zeichen dafür, daß ich mich in einer
verbalen Sackgasse verrannte.
Eric schrie: »Bist du verrückt? Was ist denn los
mit dir? Was soll das Ganze? Es geht doch um Hunde, oder? Es
ist ja nicht so, als ob ich Katzen oder Feldmäuse oder
Goldfische oder so was töten würde. Ich spreche von Hunden, du bescheuerter Holzklotz! Hunde!«
»Du brauchst mich nicht so anzubrüllen«, sagte ich
mit ruhiger Stimme, obwohl ich mich allmählich über mich
selbst ärgerte. »Ich habe dich nur gefragt, warum du soviel
Zeit dafür verschwendest, etwas zu stehlen, das du nicht essen
kannst, und dann noch mehr Zeit dafür verschwendest, Hunde zu
stehlen, wenn du genausogut in einem Aufwasch stehlen und essen
könntest.«
»Genausogut? Genausogut? Was brabbelst du da?«
geiferte Eric mit rauher, halberstickter Stimme in Kontraaltlage.
»O Gott, schrei nicht so«, stöhnte ich,
während ich mir eine Hand auf die Stirn legte, mir damit durch
die Haare fuhr und die Augen schloß.
»Ich schreie, wenn ich Lust zum Schreien habe!« schrie
Eric. »Was glaubst du denn, warum ich das alles mache? He? Was,
zum Teufel, glaubst du denn, warum ich das alles mache? Es sind Hunde, du hirnverbrannter kleiner Scheißhaufen! Hast du
denn überhaupt keinen Verstand mehr? Was ist mit deinem Verstand geschehen, Frankie? Hat dir jemand ins
Weitere Kostenlose Bücher