Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wespenfabrik

Die Wespenfabrik

Titel: Die Wespenfabrik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
Vom Netzwerk:
Hirn
geschissen? Ich sagte, hat dir jemand ins Hirn geschissen?«
    »Knall jetzt nicht den…«, sagte ich, nicht direkt
in die Sprechmuschel.
    »Iiiiiaaaaaaarrrrchhh Blliiiaaaarrrchchllleeeooo-
rrrchchch!« Eric spuckte und würgte durch die Leitung, und
dann folgte das Geräusch eines Telefonhörers, der durch
eine Telefonzelle gedonnert wurde. Ich seufzte und legte den
Hörer auf die Gabel. Offenbar war ich einfach nicht in der Lage,
mit Eric am Telefon richtig umzugehen.
    Ich ging in mein Zimmer zurück und versuchte, nicht mehr an
meinen Bruder zu denken; ich wollte zeitig ins Bett gehen, damit ich
früh aufstehen konnte, um der Taufzeremonie für die neue
Schleuder beizuwohnen. Ich würde über eine bessere Methode,
mit Eric umzugehen, nachdenken, wenn ich das erst mal erledigt
hätte.
    … Wie ein Schiff, in der Tat. Was für ein
Wahnsinniger!

 
4
DER BOMBENKREIS
     
     
    Ich habe mich selbst oft als Staat empfunden, als Land oder
zumindest als Stadt. Manchmal hatte es für mich den Anschein,
als ob die verschiedenen Gefühle, die ich hinsichtlich dieser
und jener Ideen, Handlungsweisen und so weiter hegte, vergleichbar
wären mit den politischen Schwankungen, die ein Land durchmacht.
Ich war immer der Ansicht, daß die Menschen nicht deshalb eine
neue Regierung wählen, weil sie mit deren Politik
übereinstimmen, sondern einfach deshalb, weil sie eine
Veränderung wollen. Irgendwie glauben sie, daß sich unter
einer neuen Mannschaft alles zum Besseren wendet. Nun, die Menschen
sind dumm, doch all das scheint mehr mit Launen, Stimmungen und der
allgemeinen Atmosphäre zu tun zu haben als mit wohldurchdachten
Argumenten. Manchmal harmonieren meine Gedanken und Gefühle
nicht miteinander, also kam ich zu dem Schluß, daß in
meinem Gehirn etliche verschiedene Personen sein müssen.
    Zum Beispiel gab es in mir immer einen Teil, der sich wegen der
Morde an Blyth, Paul und Esmeralda schuldig fühlte. Eben jener
Teil fühlte sich jetzt schuldig wegen des Racheaktes an den
harmlosen Kaninchen, da er in Wirklichkeit doch nur einem einzigen
tollwütigen Männchen galt. Ich vergleiche diesen Teil mit
einer Oppositionspartei im Parlament oder mit der kritischen Presse,
die als Gewissen und Bremse fungieren, jedoch nicht an der Macht sind
und sehr wahrscheinlich auch niemals an sie gelangen werden. Ein
anderer Teil von mir ist überzeugter Rassist, wahrscheinlich
weil ich kaum je farbigen Menschen begegnet bin und ich über sie
nur weiß, was ich in der Zeitung gelesen oder im Fernsehen
gesehen habe, wo Schwarze lediglich als Zahlenfaktor vorkommen oder
als Schuldige hingestellt werden, bis ihre Unschuld bewiesen ist.
Dieser Teil von mir ist immer noch ziemlich stark, obwohl ich
natürlich weiß, daß es keinen vernünftigen
Grund für Rassenhaß gibt. Immer wenn ich Farbige in
Porteneil sehe, die Souvenirs kaufen oder irgendwo einen Imbiß
essen, hoffe ich, daß sie mich etwas fragen, damit ich meine
Höflichkeit zeigen und beweisen kann, daß meine Vernunft
stärker ist als meine radikaleren Instinkte oder meine
Erziehung.
    Aus dem gleichen Grund bestand auch keinerlei Veranlassung, sich
an den Kaninchen zu rächen. Es gibt nie eine Veranlassung, auch
nicht in der Welt der Großen. Ich bin der Meinung, daß
Repressalien gegen Personen, die nur entfernt oder bedingt mit jenen
verbunden sind, die Unrecht getan haben, den Rächenden ein gutes
Gefühl verschaffen. Es ist wie mit der Todesstrafe: Man will
sie, weil man sich selbst dadurch besser fühlt, nicht etwa, weil
sie als Abschreckung dient oder so etwas Unsinniges.
    Wenigstens werden die Kaninchen nie erfahren, daß Frank
Cauldhame ihnen das angetan hat, was er ihnen angetan hat,
während eine menschliche Gemeinschaft sehr wohl erfährt,
was ihnen die Übeltäter angetan haben, so daß die
Rache schließlich die entgegengesetzte Wirkung von der
angestrebten zeitigt, den Widerstand eher anheizt als
niederschlägt. Immerhin gestehe ich ein, daß das alles nur
dazu diente, mein Ego aufzuwerten, meinen Stolz wiederherzustellen
und mir Vergnügen zu bereiten, und nicht etwa, das Land zu
retten oder der Gerechtigkeit zum Durchbruch zu verhelfen oder die
Toten zu ehren.
    Es gab also Teile von mir, die der Taufzeremonie für die neue
Schleuder mit einiger Erheiterung, sogar mit Verachtung beiwohnten.
In dem Staat in meinem Kopf ist diese Richtung mit den
Intellektuellen eines Landes vergleichbar, die die Religion
verhöhnen, während sie die Wirkung, die sie auf die

Weitere Kostenlose Bücher