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Die Wespenfabrik

Die Wespenfabrik

Titel: Die Wespenfabrik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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zurückgekehrt.
    Paul machte es ungeheuren Spaß, von Stein zu Stein zu
springen und Kiesel in die Wasserbecken zwischen den Felsen zu
werfen. Meeresteiche waren eine aufregende Neuheit für ihn. Wir
gingen weiter an dem verwüsteten Strand entlang und fanden immer
wieder interessante Stücke im Treibgut, bis wir
schließlich zu einem verrosteten Schrottbrocken kamen, den ich
aus der Ferne für einen Wassertank oder ein halb eingegrabenes
Kanu hielt. Er ragte etwa anderthalb Meter aus einem Sandhaufen
heraus, steil aufgerichtet. Paul versuchte, in einem der Wasserbecken
Fische zu fangen, während ich das Ding betrachtete.
    Ich berührte staunend die Seite des spitz zulaufenden
Zylinders und fühlte dabei etwas sehr Ruhiges und Starkes, wenn
ich auch nicht genau wußte, warum. Dann trat ich ein paar
Schritte zurück und betrachtete es erneut. Langsam ahnte ich
seine Form und erriet ungefähr, wieviel davon noch unter dem
Sand begraben sein mußte. Es war eine Bombe, die senkrecht auf
dem Hinterteil stand.
    Ich ging vorsichtig wieder zu ihr hin, streichelte sie sanft und
erzeugte mit den Lippen beruhigende Töne. Sie war rot von Rost
und schwarz vom Verfall ihrer gerundeten Form; muffig riechend und
einen langgezogenen Schatten werfend. Ich folgte der Linie des
Schattens über den Sand, über die Steine, und fand mich
Paul gegenüber, der vergnügt in einem Becken herumplanschte
und mit einem flachen Holz, das fast so groß war wie er selbst,
ins Wasser schlug. Ich lächelte und rief ihn zu mir
herüber.
    »Siehst du das da?« sagte ich. Es war eine rhetorische
Frage. Paul nickte, er betrachtete das Ungetüm mit großen
Augen. »Das«, erklärte ich ihm, »ist eine Glocke.
Wie die von der Kirche in der Stadt. Das Gebimmel, das wir sonntags
hören, weißt du?«
    »Ja. Nach dem Frühtick, Frank?«
    »Was?«
    »Das Bimmel nach dem Somtagfrühtick, Frank.« Paul
klopfte mir mit seiner Patschhand leicht aufs Knie.
    Ich nickte. »Ja, stimmt. Glocken haben so einen Klang. Es
sind große, hohe Metallgebilde, angefüllt mit Klang, und
diesen Klang lassen sie am Sonntag morgen nach dem
Frühstück heraus. So etwas ist das.«
    »Ein Frühtick?« Paul blickte zu mir auf, die kleine
Stirn angestrengt gefurcht. Ich schüttelte geduldig den
Kopf.
    »Nein, eine Glocke, die bimbam macht.«
    »Bimbam macht das B«, sagte Paul leise, nickte vor sich
hin und besah sich den rostigen Gegenstand. Wahrscheinlich erinnerte
er sich an ein altes Kinderlesebuch. Er war ein helles Kerlchen; mein
Vater hatte die Absicht, ihn zur gegebenen Zeit auf eine gute Schule
zu schicken, und er hatte bereits angefangen, ihm das Alphabet
beizubringen.
    »Stimmt. Na ja, diese alte Glocke ist wahrscheinlich von
einem Schiff gefallen, oder vielleicht hat sie die Flut hier
angetrieben. Ich weiß, was wir machen werden. Ich gehe da
hinten in die Dünen, und du schlägst mit deiner Holzlatte
auf die Glocke, dann werden wir herausfinden, ob ich sie hören
kann. Sollen wir das machen? Würde dir das gefallen? Sie wird
sehr laut klingen, und vielleicht bekommst du Angst.«
    Ich ging in die Hocke, damit mein Gesicht auf gleicher Höhe
mit dem seinen war. Er schüttelte heftig den Kopf und
stieß mit seiner Nase gegen meine. »Nein! Ich hab nich
Angs!« schrie er. »Ich werd…«
    Er war im Begriff, an mir vorbeizusausen und mit der Latte gegen
die Bombe zu schlagen – er hatte sie bereits über den Kopf
erhoben und holte aus –, als ich den Arm ausstreckte und ihn in
der Taille umfaßte.
    »Jetzt noch nicht!« sagte ich. »Warte, bis
ich ein bißchen weiter weg bin. Es ist eine alte Glocke, die
vielleicht nur noch ein einziges Bimbam in sich hat. Das willst du
doch nicht vergeuden, oder?«
    Paul wand sich in meinem Griff, und sein Gesichtsausdruck schien
anzudeuten, daß es ihm eigentlich gar nichts ausmachte, irgend
etwas zu vergeuden, so lang er mit seiner Latte gegen die Glocke
schlagen durfte. »Allo gut«, sagte er und hörte auf zu
zappeln. Ich ließ ihn los. »Aber daf ich ganz, ganz fest draufhaun?«
    »So fest du kannst, wenn ich dir einen Wink von der Düne
herunter gebe. Okay?«
    »Daf ich üben?«
    »Übe, indem du in den Sand schlägst.«
    »Daf ich in die Pützen haun?«
    »Ja, übe, indem du in die Pfützen schlägst.
Das ist eine sehr gute Idee.«
    »Daf ich in diese Pütze haun?« Er deutete
mit der Latte auf den runden Trichter im Sand um die Bombe. Ich
schüttelte den Kopf.
    »Nein, das macht die Glocke vielleicht
ärgerlich.«
    Er runzelte die

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