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Die Wespenfabrik

Die Wespenfabrik

Titel: Die Wespenfabrik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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Stirn. »Werden Glocken eggelich?«
    »Ja, das werden sie. Ich gehe jetzt. Du haust ganz fest auf
die Glocke, und ich lausche ganz fest. Einverstanden?«
    »Ja, Frank.«
    »Und du haust nicht auf die Glocke, bevor ich dir ein Zeichen
gebe, versprichst du das?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich versbech.«
    »Gut. Es wird nicht lange dauern.« Ich drehte mich um
und entfernte mich in gemächlichem Laufschritt in die
Dünen. Im Rücken hatte ich ein komisches Gefühl.
Während des Laufens sah ich mich um und vergewisserte mich,
daß niemand in der Nähe war. Es tummelten sich jedoch nur
ein paar Möwen in der Nähe, die ihre Kreise an einem von
zerfetzten Wolken verhangenen Himmel zogen. Als ich über die
Schulter zurückblickte, sah ich Paul. Er stand immer noch neben
der Bombe und prügelte mit seiner Latte auf den Sand ein, indem
er sie mit beiden Händen hochhob und mit aller Kraft
niedersausen ließ, während er gleichzeitig in die Luft
sprang und einen Schrei ausstieß. Ich rannte schneller,
über die Steine auf den festen Sand, über die
Brandungslinie hinweg und weiter den goldenen Sand hinauf, langsamer
und in Trockenheit, und dann hinauf ins Gras der ersten Düne.
Ich taumelte auf den Gipfel und blickte hinunter auf den Strand und
zu den Steinen, wo Paul stand, eine winzige Gestalt gegen die
spiegelnde Helligkeit der Wasserbecken und des nassen Sandes, im
Schatten des leicht geneigten Kegels an seiner Seite. Ich stand
aufrecht, wartete, bis er mich bemerkte, dann schwenkte ich beide
Hände hoch über dem Kopf und warf mich flach zu Boden.
    Während ich dort lag und wartete, fiel mir ein, daß ich
Paul nicht gesagt hatte, wo er auf die Bombe schlagen sollte.
Nichts geschah. Ich lag da und spürte, wie mein Magen langsam in
den Sand auf dem Gipfel der Düne sackte. Ich seufzte leise und
blickte auf.
    Paul war eine weit entfernte Marionette, die hüpfte und
sprang und die Arme zurückwarf und immer wieder auf die Seite
der Bombe einprügelte. Ich hörte gerade noch sein
vergnügtes Jauchzen über das Wispern des Grases im Wind.
»Scheiße«, sagte ich zu mir selbst, und stützte
mein Kinn mit einer Hand ab, genau in dem Moment, als Paul nach einem
kurzen Blick in meine Richtung anfing die Nase der Bombe anzugreifen.
Er hatte sie einmal getroffen, und ich hatte vorsorglich die Hand
unter dem Kinn weggenommen, um mich zu ducken, als Paul, die Bombe
und der kleine Trichter, der sie wie ein Halo umgab, sowie alles
andere in einem Umkreis von etwa zehn Metern plötzlich im Innern
einer aufsteigenden Säule aus Sand und Rauch und herumfliegenden
Steinen verschwand, einmal kurz von innen erleuchtet, in jenem
blendenden ersten Augenblick der Detonation einer hochexplosiven
Masse.
    Der aufsteigende Turm aus Schutt formte sich zur Blüte und
verzerrte sich in der Schwebe; langsam senkte er sich, während
die Druckwelle die Düne unter mir pulsieren ließ.
Undeutlich kam mir zu Bewußtsein, daß an den trockenen
Flächen der Dünen um mich herum eine Menge kleiner
Sandlawinen abgingen. Der Lärm dröhnte jetzt herüber,
ohrenbetäubendes Krachen und Donnern wie ein gigantisches
Bauchrumpeln. Ich beobachtete einen sich allmählich erweiternden
Kreis von Einschlaglöchern, der von der Mitte der Explosion
ausging, während die Schutteile nach und nach zu Boden fielen.
Die Säule aus Gas und Sand wurde vom Wind auseinandergetrieben,
sie verdunkelte den Sand unter ihrem Schatten und bildete einen
Dunstvorhang an ihrer Unterseite, wie man ihn manchmal unter einer
regenschweren Wolke sieht, die im Begriff ist, sich zu entladen.
Jetzt sah ich den Krater.
    Ich rannte hinunter. Ich stand etwa fünfzig Meter entfernt
von dem noch rauchenden Loch. Ich warf keinen allzu eingehenden Blick
auf den Schutt und die Bruchstücke, die ringsum lagen, sondern
linste nur aus dem Augenwinkel in ihre Richtung, da ich kein blutiges
Fleisch oder Kleiderfetzen sehen wollte. Der Krach dröhnte
undeutlich von den Hügeln jenseits der Stadt wider. Die
Ränder des Kraters waren mit riesigen Gesteinssplittern aus dem
felsigen Untergrund unter dem Sand gesäumt; sie standen wie
abgebrochene Zähne rings um den Schauplatz, entweder zum Himmel
weisend oder vornüber geneigt, kurz vor dem Umfallen. Ich sah
der Explosionswolke nach, die über die Förde hinwegschwebte
und sich auflöste, dann drehte ich mich um und rannte so schnell
ich konnte nach Hause.
    Heute kann ich sagen, daß es sich um eine deutsche Bombe von
fünfhundert Kilogramm handelte und daß sie

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