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Die Wespenfabrik

Die Wespenfabrik

Titel: Die Wespenfabrik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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widmete er
sich wieder der Lektüre des Scientific American. Ich
setzte mich behutsam in einen der großen Sessel unseres
Wohnzimmers.
    »Ich habe gestern abend tatsächlich ein bißchen
zuviel getrunken, Dad, das muß ich zugeben, aber ich kann dir
versichern, daß ich es büßen mußte und
muß.«
    »Nun, ich hoffe, das ist dir eine Lehre. Ist dir eigentlich
klar, wie viele deiner Gehirnzellen zu töten dir gestern abend
gelungen ist?«
    »Einige Tausend«, sagte ich nach kurzem Zögern,
währenddessen ich eine entsprechende Berechnung angestellt
hatte.
    Mein Vater nickte voller Begeisterung. »Mindestens.«
    »Nun, ich werde versuchen, es nie wieder zu tun.«
    »Hm.«
    »Brr ap!« gab mein After laut vernehmlich von
sich, was mich ebenso überraschte wie meinen Vater. Er
ließ die Zeitschrift sinken und blickte über meinen Kopf
hinweg weise lächelnd ins Leere, während ich mich
räusperte und den Saum meines Morgenmantels so unauffällig
wie möglich raffte. Ich sah, wie seine Nasenflügel zuckten
und bebten.
    »Lager und Whisky, was?« sagte er, nickte sich selbst
zustimmend zu und nahm seine Zeitschrift wieder auf. Ich spürte,
wie ich rot wurde, und preßte die Zähne aufeinander, froh
darüber, daß er sich wieder hinter die bedruckten
Hochglanzseiten zurückgezogen hatte. Wie machte er das
bloß? Ich tat so, als ob nichts geschehen sei.
    »Oh, übrigens«, sagte ich, »ich hoffe du hast
nichts dagegen, aber ich habe Jamie gesagt, daß Eric abgehauen
ist.«
    Mein Vater sah mich über den Rand der Zeitschrift hinweg an,
schüttelte den Kopf und las weiter. »Idiot«, sagte
er.
     
    Nach dem Abendessen, das eher ein Imbiß als eine richtige
Mahlzeit gewesen war, ging ich auf den Dachboden hinauf und benutzte
das Teleskop, um die Insel in der Fernsicht zu überblicken und
mich zu vergewissern, daß nichts mit ihr passiert war,
während ich mich im Haus aufgehalten hatte. Alles schien ruhig.
Ich machte einen kurzen Spaziergang im kühlen, wolkenverhangenen
Abend, nur am Strand entlang bis zur Südspitze der Insel und
zurück, anschließend blieb ich zu Hause und sah noch etwas
fern, als der Regen einsetzte, hergetragen von einem flachen Wind,
und murmelnd gegen das Fenster klopfte.
     
    Ich war bereits zu Bett gegangen, als das Telefon läutete.
Ich stand schnell auf, da ich bei seinem ersten Klingeln noch nicht
richtig eingedöst war, und rannte hinunter, um vor meinem Vater
dort anzukommen. Ich wußte nicht, ob er noch auf war oder
nicht.
    »Ja?« sagte ich atemlos, während ich mir die
Schlafanzugjacke in die Hose stopfte. Ich vernahm mehrere Piepser,
dann ertönte eine Stimme am anderen Ende, die seufzte.
    »Nein.«
    »Wie bitte?« fragte ich stirnrunzelnd.
    »Nein«, sagte die Stimme am anderen Ende.
    »Hä?« sagte ich. Ich war mir nicht einmal sicher,
ob es Eric war.
    »Du hast ›ja‹ gesagt. Ich sage
›nein‹.«
    »Was soll ich denn deiner Meinung nach sagen?«
    »Porteneil fünfdreieins.«
    »Okay. Porteneil fünfdreieins. Hallo?«
    »Okay. Wiedersehen.« Die Stimme kicherte, das Telefon
schwieg. Ich sah es vorwurfsvoll an, dann legte ich den Hörer
auf die Gabel. Ich zögerte. Wieder klingelte der Apparat. Das
erste Klingeln war noch nicht zu Ende, da schnappte ich bereits den
Hörer.
    »Ja …«, setzte ich an, und gleich darauf
ertönten die Piepser. Ich wartete, bis sie aufhörten, dann
sagte ich: »Porteneil fünfdreieins.«
    »Porteneil fünfdreieins«, sagte Eric. Wenigstens
dachte ich, daß es Eric war.
    »Ja«, sagte ich.
    »Ja was?«
    »Ja, hier ist Porteneil fünfdreieins.«
    »Aber ich dachte, hier ist Porteneil
fünfdreieins.«
    »Hier ist es. Wer spricht denn? Bist du
das…«
    »Ich bin es. Ist dort Porteneil fünfdreieins?«
    »Ja!« brüllte ich.
    »Und wer spricht?«
    »Frank Cauldhame«, sagte ich und bemühte mich um
Selbstbeherrschung. »Wer ist dort?«
    »Frank Cauldhame«, sagte Eric. Ich blickte mich um, die
Treppe hinauf und hinunter, entdeckte jedoch kein Anzeichen von
meinem Vater.
    »Hallo, Eric«, sagte ich lächelnd. Ich
beschloß, daß ich, was immer heute abend auch passieren
mochte, ihn nicht verärgern würde. Eher würde ich den
Hörer auflegen, als das Falsche zu sagen und damit zu bewirken,
daß mein Bruder wieder mal Eigentum der Post
zerstörte.
    »Ich habe dir gerade gesagt, daß mein Name Frank
lautet. Warum nennst du mich Eric?«
    »Komm, Eric, ich erkenne deine Stimme.«
    »Ich heiße Frank. Hör endlich auf, mich Eric zu
nennen!«
    »Okay, okay. Ich werde

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