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Die Wespenfabrik

Die Wespenfabrik

Titel: Die Wespenfabrik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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Polizei gerufen
hatten. Der junge Mann kam über den Kamm der Dünen auf mich
zu, pfeifend und von Zeit zu Zeit mit einem Stock auf Büschel
von Seegras oder Schilf klopfend.
    Ich nahm keine Notiz von ihm. Ich starrte weiter vor mich hin und
zitterte und umklammerte die Blumen. Mein Vater und Diggs kamen
heran, nachdem der junge Mann die Kunde von seinem Fund über die
Kette von Leuten, die sich mit Stöcken schlagend ihren Weg durch
die Dünen bahnten, verbreitet hatte; ich nahm jedoch auch von
diesen beiden keine Notiz. Nach und nach umringte mich eine Traube
von Dutzenden von Leuten, die mich anschauten, mir Fragen stellten,
sich am Kopf kratzten, auf die Uhr sahen und in der Gegend
herumblickten. Ich nahm keine Notiz von ihnen. Sie bildeten erneut
eine Kette und begannen mit der Suche nach Esmeralda, während
ich zurück zum Haus getragen wurde. Man bot mir Suppe an, auf
die ich ungeheuren Appetit gehabt hätte, von der ich jedoch
keine Notiz nahm; man stellte mir Fragen, auf die ich mit
undurchdringlichem Schweigen und starrem Blick reagierte. Mein Onkel
und meine Tante schüttelten mich, mit roten Gesichtern und
nassen Augen, doch ich nahm keine Notiz von ihnen. Schließlich
führte mich mein Vater in mein Zimmer, entkleidete mich und
brachte mich ins Bett.
    Die ganze Nacht über war jemand bei mir im Zimmer, und ob es
nun mein Vater, Diggs oder sonst jemand war, ich hielt sie und mich
selbst dadurch wach, daß ich zuerst eine Weile ruhig dalag und
Schlaf vortäuschte, dann mit aller Kraft brüllte und aus
dem Bett fiel, um auf dem Boden wild um mich zu schlagen. Jedesmal
wurde ich aufgehoben, in den Arm genommen und wieder ins Bett
gebracht. Jedesmal tat ich so, als ob ich wieder einschlafen
würde, und spielte nach ein paar Minuten wieder verrückt.
Wenn einer von ihnen das Wort an mich richtete, lag ich lediglich
zitternd im Bett und starrte denjenigen an, wie taub und ohne einen
Ton von mir zu geben.
    Ich hielt das bis zum Morgengrauen durch, als der Suchtrupp
zurückkehrte, ohne Esmeralda, dann erlaubte ich mir
einzuschlafen.
     
    Es dauerte eine Woche, bis ich mich erholt hatte, und das war eine
der angenehmsten Wochen meines Lebens. Eric kam von seiner Schulfahrt
zurück, und nach seiner Ankunft fing ich an, ein paar Worte zu
sprechen; zunächst nur unsinniges Zeug, später
zusammenhanglose Andeutungen darüber, was geschehen war, denen
jedesmal wildes Schreien und der Zustand der Katatonie folgten.
    Irgendwann gegen Mitte der Woche wurde Dr. MacLennan ein kurzer
Besuch bei mir gestattet, nachdem Diggs die Weigerung meines Vaters,
mich von irgend jemandem außer ihm selbst medizinisch
untersuchen zu lassen, nicht mehr hingenommen hatte. Doch mein Vater
blieb mit im Zimmer, mit einem finsteren und mißtrauischen
Gesicht, und sorgte dafür, daß die Untersuchung sich
innerhalb gewisser Grenzen hielt; ich war froh, daß er nicht
zuließ, daß mich der Arzt von oben bis unten anschaute,
und ich dankte es dadurch, daß ich etwas zugänglicher
wurde.
    Gegen Ende der Woche litt ich immer noch gelegentlich unter dem
vorgetäuschten Alptraum, ich wurde von Zeit zu Zeit
plötzlich sehr still und zitterte, doch ich aß mehr oder
weniger normal und beantwortete die Fragen ziemlich bereitwillig.
Wenn die Sprache auf Esmeralda und das Schicksal kam, das sie ereilt
hatte, löste das zwar immer noch kleinere Anfälle und
Schreikrämpfe und ein totales In-mich-Zurückziehen aus,
doch nach langer und geduldiger Befragung durch meinen Vater und
Diggs verriet ich ihnen so viel von den Geschehnissen, daß ihre
Gedanken in die Bahnen gelenkt wurden, in die ich sie haben wollte
– ein großer Drachen; Esmeralda verfängt sich in den
Leinen; ich versuche, ihr zu helfen, und die Winde rutscht mir aus
den Händen; ich renne verzweifelt hinterher; dann die totale
Leere in meinem Kopf.
    Ich erklärte, daß ich befürchtete, ein
Unglücksbringer zu sein, Tod und Unheil über die Menschen
in meiner Nähe zu bringen, und auch, daß ich Angst
hätte, ins Gefängnis zu kommen, weil man vermuten
würde, ich hätte Esmeralda umgebracht. Ich weinte und
umarmte meinen Vater und umarmte sogar Diggs, wobei mir der Geruch
des Stoffes seiner stahlblauen Uniform in die Nase stieg und ich
spürte, wie er fast dahinschmolz und mir glaubte. Ich bat ihn,
zum Schuppen zu gehen und alle meine Drachen herauszuholen und zu
verbrennen, was er getreulich tat, in einer Senke, die jetzt den
Namen Drachen-Scheiterhaufen trägt. Es tat mir leid um

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