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Die Wespenfabrik

Die Wespenfabrik

Titel: Die Wespenfabrik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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die
außergewöhnlichen Umstände es rechtfertigten, und es
war ja schließlich meine Fabrik.
     
    Ich erwischte die Wespe ohne jede Schwierigkeit. Sie spazierte
mehr oder weniger von selbst in das für diese Zeremonie
vorgesehene Marmeladeglas, das ich seit langem zur Aufbewahrung von
Wesen für die Fabrik benutze. Ich behielt das Glas bei mir, mit
dem durchlöcherten Deckel verschlossen und mit ein paar
Blättern und einem Schnipsel Orangenschale versehen, und stellte
es im Schatten am Flußufer ab, während ich am Nachmittag
dort einen Damm baute.
    Ich arbeitete schwitzend in der Sonne des Spätnachmittags und
frühen Abends, während mein Vater am hinteren Teil des
Hauses einige Malerarbeiten erledigte und die Wespe sich mit
zappelnden Fühlern am inneren Rund des Glases
entlangtastete.
    Als ich mit dem Bau des Dammes zur Hälfte fertig war –
eine kritische Phase –, dachte ich, es könnte Spaß
machen, einen Zünder zu basteln, also setzte ich die
Überflutung in Betrieb und schlenderte den Pfad zum Schuppen
hinauf, um den Beutel mit den Kriegsutensilien zu holen. Ich ging
damit zurück und suchte die kleinste elektrisch
auszulösende Bombe aus, die ich fand. Ich verband sie mit den
Drähten des Laternenanzünders, und zwar an den
bloßgelegten Enden, die aus dem Bohrloch in dem schwarzen
Metallgehäuse ragten, und wickelte die Bombe in mehrere
Plastiktüten. Ich schob die Bombe rückwärts in das
Fundament des Hauptdamms, durch das stehende Wasser, das sich
dahinter gestaut hatte, in die Nähe der Stelle, wo die Wespe in
ihrem Glas herumkrabbelte. Ich bedeckte die Drähte, damit das
Ganze natürlicher aussah, und fuhr mit dem Bau des Dammes
fort.
    Die gesamte Dammanlage geriet sehr groß und kompliziert und
umfaßte nicht nur ein, sondern zwei Dörfer, eins zwischen
den beiden Dämmen und eins etwas weiter flußabwärts.
Ich hatte Brücken und kleine Straßen gebaut, eine kleine
Burg mit vier Türmen und zwei Tunnels. Kurz vor der Teestunde
schärfte ich den letzten Draht des Laternengehäuses und
brachte das Wespenglas auf den Gipfel der nächsten
Düne.
    Ich sah meinen Vater, der immer noch dabei war, die Fensterrahmen
des Wohnzimmers zu streichen. Ich kann mich noch an die Muster
erinnern, die er für die Front des Hauses gewählt hatte,
für die dem Meer zugewandte Fassade; sie waren damals schon sehr
verblaßt, aber es waren kleine Klassiker der ausgeflippten
Kunst, soweit ich mich entsinne, große verschnörkelte
Schweife und Mandalas, die über die Hausfront zuckten wie
Technicolor-Tätowierungen, sich um Fenster schlängelten und
die Tür im großen Bogen umrahmten. Ein Relikt aus der
Hippie-Zeit meines Vaters, das jetzt verblichen und vergangen war,
ausgelöscht von Wind und Meer und Regen und Sonne. Heute sind
nur noch die Umrisse vage zu erkennen, zusammen mit ein paar
verkümmerten Flecken des ursprünglichen Anstrichs, wie sich
abschälende Haut.
    Ich öffnete den Deckel der Laterne, schob die
zylinderförmigen Batterien hinein, sicherte sie und drückte
den Zündknopf oben auf dem Laternengehäuse. Der Strom
floß von der neun Volt starken Zusatzbatterie, die außen
mit Klebeband befestigt war, entlang der Drähte, die aus der
Vertiefung ragten, wo eigentlich die Birne hingehörte und in die
Hülle der Bombe. Irgendwo in der Nähe ihres Mittelpunkts
glühte Stahlwolle zunächst matt, dann heller, als sie zu
schmelzen begann, und die kristalline weiße Mischung
explodierte, zerriß das Metall – das zu biegen mich und
einen schweren Schraubstock viel Schweiß, Zeit und Kraftaufwand
gekostet hatte –, als ob es Papier wäre.
    Womm! Die Front des Hauptdamms brach und stürzte
zusammen; ein wildes Durcheinander von Rauch und Gas und Wasser und
Sand flog in die Luft und fiel platschend zurück. Der Krach war
schön dumpf, und das Zittern, das ich durch den Hosenboden
spürte, kurz bevor ich den Knall hörte, war unglaublich
stark.
    Der Sand glitt durch die Luft, fiel zurück, rieselte ins
Wasser und legte sich in kleinen Häufchen auf Straßen und
Häuser. Die entfesselten Wassermassen fluteten durch die in die
Sandwand gerissene Öffnung und ergossen sich weiter in die
Tiefe, wobei sie Sand von den Rändern der Bresche mitrissen und
sich in einer abschüssigen braunen Flut auf das erste Dorf
stürzten, durch es hindurchschnitten, sich hinter dem
nächsten Damm sammelten, immer höher aufstauten,
Sandhäuser zum Einsturz brachten, die Burg in einem Stück
zur Seite neigten und ihre bereits stark

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