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Die Wespenfabrik

Die Wespenfabrik

Titel: Die Wespenfabrik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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beschädigten Türme
unter sich begruben. Die Brückenstützen gaben nach, das
Holz geriet ins Rutschen, brach auf der einen Seite zusammen, dann
wurde der Damm überspült, und bald stand er vollkommen
unter Wasser und wurde weiter überströmt von dem Wasser,
das sich hinter dem ersten Damm gestaut hatte und das mit Nachschub
aus einem Flußlauf von fünfzig Metern oder mehr gespeist
wurde. Die Burg zerbrach, stürzte zusammen.
    Ich ließ das Glas stehen und rannte die Düne hinunter,
jauchzend in der Welle von Wasser, die über die perlende
Oberfläche des Flußbettes jagte, auf Häuser prallte,
Straßen folgte, durch Tunnels schoß und schließlich
auf den letzten Damm traf, ihn schnell überwältigte und
weiterfloß, um in den Rest der Häuser zu krachen, die zum
zweiten Dorf angeordnet waren. Ein Damm nach dem anderen brach,
Häuser wurden vom Wasser mitgerissen, Brücken und Tunnels
stürzten ein, und überall gab die Uferböschung nach;
ein herrliches Gefühl der Erregung stieg wie eine Welle in
meinem Bauch auf und verharrte in meiner Kehle, während mich die
Spannung, die sich im Tumult der Wassermassen um mich herum aufbaute,
ergriff.
    Ich beobachtete die Drähte, die freigespült wurden und
sich zur einen Seite der Flut hin verschoben, dann betrachtete ich
die Front des tobenden Wassers, das schnell über den
ausgetrockneten Sand ins Meer floß. Ich setzte mich
gegenüber der Stelle hin, wo das erste Dorf gestanden hatte, wo
jetzt lange braune Wasserläufe brodelten und sich langsam
näherten, und wartete, bis der Sturm im Wasser nachlassen
würde; ich hatte die Beine überkreuzt, die Ellbogen ruhten
auf meinen Knien und mein Gesicht in den Händen. Ich fühlte
mich warm und glücklich und ein bißchen hungrig.
    Allmählich, als der Strom sich fast vollkommen beruhigt hatte
und von dem Werk meiner stundenlangen Arbeit buchstäblich nichts
mehr übrig war, entdeckte ich, wonach ich suchte: das schwarze
und silberne Wrack der Bombe, das zerfetzt und gekrümmt etwas
stromabwärts von der Dammanlage, die sie zerstört hatte, im
Sand steckte. Ich verzichtete darauf, mir die Schuhe auszuziehen,
sondern bewegte mich, während meine Zehenspitzen noch auf dem
trockenen Ufer waren, auf den Händen vorwärts, bis ich
ausgestreckt fast die Mitte des Flusses erreichen konnte. Ich holte
die Überbleibsel der Bombe aus dem Flußbett, steckte mir
den ausgefransten Körper vorsichtig in den Mund, dann krabbelte
ich auf den Händen zurück, bis ich mich nach hinten werfen
und aufstehen konnte.
    Ich rieb das fast flache Stück Metall mit einem Stoffetzen
aus dem Kriegsutensilienbeutel ab, legte die Bombe in die Tasche,
dann holte ich das Wespenglas und ging zurück nach Hause, um Tee
zu trinken, nachdem ich an der Stelle über den Fluß
gesprungen war, wo das Wasser am weitesten zurückgewichen
war.
     
    All unsere Leben sind Symbole. Alles, was wir tun, ist Teil eines
Musters, bei dem wir zumindest ein kleines Mitspracherecht haben. Die
Starken gestalten ihre eigenen Muster und beeinflussen die anderer
Menschen, die Schwachen bekommen ihren Kurs vorgezeichnet. Die
Schwachen und die Unglücklichen und die Dummen. Die Wespenfabrik
ist Teil des Musters, denn sie ist Teil des Lebens und – in noch
größerem Maße – Teil des Todes. Wie das Leben
ist sie kompliziert, es finden sich also alle Bestandteile, die das
Dasein ausmachen, in ihr. Der Grund, warum sie Fragen beantworten
kann, ist der, daß jede Frage ein Anfang ist, der ein Ende
sucht, und die Fabrik ist so ziemlich das ENDE – der Tod, nichts
weniger. Behaltet eure Eingeweide und Stöcke und Würfel und
Bücher und Vögel und Stimmen und alles Geschmeide und das
ganze Zeug; ich habe die Fabrik, und es dreht sich ums Jetzt und die
Zukunft, nicht um die Vergangenheit.
    Als ich an diesem Abend im Bett lag, wußte ich, daß
die Fabrik hergerichtet und bereit war und auf die Wespe wartete, die
in dem Glas, das neben meinem Bett stand, herumkrabbelte und ihren
Weg erfühlte. Ich dachte an die Fabrik, über mir auf dem
Dachboden, und ich wartete auf das Läuten des Telefons.
    Die Wespenfabrik ist schön und tödlich und perfekt. Sie
gibt mir eine Vorstellung von den Dingen, die geschehen werden, sie
hilft mir bei Entscheidungen, was ich tun soll. Nachdem ich sie um
Rat gefragt hatte, beschloß ich zu versuchen, mit Eric
über den Schädel des Alten Saul in Kontakt zu kommen.
Schließlich sind wir Brüder, wenn auch nur
Halbbrüder, und wir sind beide Männer, wenn ich

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