Die widerspenstige Braut
Schwestern in das matschige Bad gleiten ließ.
Kyla kreischte vor Freude, als sie auf Emmeline fiel, und beide gemeinsam untertauchten.
Samantha ließ die Mädchen, die je nach ihrer Persönlichkeit lachten oder weinten, einige Minuten in dem Matsch plantschen. Dann trat sie an den Rand, stemmte die Hände auf die Hüften und benutzte zum ersten Mal den Kommandoton einer Lehrerin: »Junge Damen!«
Die Mädchen verstummten. Diesen Ton erkannten sie.
»Ich bin klüger und größer und gerissener als jede Einzelne von euch, und wenn ihr mich weiter bekämpft, werdet ihr verlieren. Vielleicht glaubt ihr mir jetzt und behandelt mich mit dem Respekt, den ich verlange. Oder«, sie starrte Agnes an, die sich den Schlamm aus dem Gesicht wischte und ihn mit ruckartigen, wütenden Bewegungen wegschleuderte, »ihr tut es nicht. Täuscht euch aber nicht, ihr werdet trotzdem verlieren.
Ich bin nicht wie eine eurer vorherigen Gouvernanten, ohne Mumm in den Knochen. Keine von euch ist so stark und so trickreich wie ich.«
Mara lachte schallend und wandte sich Vivian zu, die unsicher auf ihren Füßen stand. »Ich wusste ja, dass es Spaß machen würde mit ihr.«
»Ich habe eurem Vater versprochen, dass ich wenigstens ein Jahr hier bleiben würde. Und ich habe die Absicht, mein Versprechen zu halten.« Samantha sah eine nach der anderen an.
»Gibt es irgendwelche Fragen?«
»Jawohl.« Agnes richtete sich mühsam auf und torkelte zum Rand. Ihr Rock und ihre Unterröcke waren schwer vom Schlamm, und Samantha konnte die Wut in ihrem schmutzüberzogenen Gesicht nur erraten. Sie streckte ihr die Hand entgegen und fragte: »Können Sie mir helfen beim Rausklettern?«
»Mit Vergnügen.« Samantha reichte ihr ihre Hand, und kurz bevor Agnes sie ergreifen konnte, zog sie ihre Hand wieder weg.
Agnes taumelte zurück und plumpste im Handumdrehen erneut ins Schlammloch.
Samantha beugte sich über die Grube und betonte sorgfältig jedes einzelne Wort. »Hör mir genau zu, Agnes. Ich bin gerissener als du. Gib jetzt auf.« Ohne darauf zu warten, dass Agnes sich erholen und ihr antworten konnte, sagte Samantha: »In Ordnung. Ich gebe euch noch zehn Minuten, um im Schlamm zu spielen, dann kommt ihr alle da raus, und wir gehen nach Hause.«
Vivian begann zu weinen. »Vater wird schimpfen.«
»Ich kümmere mich um euren Vater.« Samantha setzte sich auf einen großen Stein und zog ihre Taschenuhr hervor. »Spielt jetzt. Ich sage euch, wenn es Zeit wird herauszukommen.«
Mara stieß Vivian um. Vivian hörte auf zu weinen, zerrte an Maras Kopf und drückte ihn nach unten.
»Nicht deine Schwester untertauchen, bitte, Vivian!«, rief Samantha. Sie bemerkte, dass Agnes sich zur Seite stahl, und fügte hinzu: »Du könntest dich genauso gut vergnügen, Agnes.
Du wirst nicht ohne mich hier weggehen.«
Agnes zögerte. Samantha konnte geradezu sehen, wie sie in Gedanken ihre Möglichkeiten überschlug. Zu einem Entschluss gekommen, zog sie sich an den Grasbüscheln am Rand der Morastsenke hoch und stolzierte zu einem Felsbrocken, auf den sie sich mit dem Rücken zu ihren Schwestern, verschränkten Armen und vorgeschobener Unterlippe setzte.
Zufrieden, dass sie bleiben würde, bis alle fertig wären zum Gehen, wandte Samantha ihre Aufmerksamkeit der Feier u nter ihr wieder zu. Schlamm spritzte, die Kinder tollten, und Samantha beobachtete sie mit amüsierter Miene.
Es
roch gut hier, nach Frische und Pfefferminz. Sie pflückte die Blätter einer kurzgewachsenen Pflanze ab, rollte sie zwischen ihren Fingern und hielt sie sich unter die Nase. Das war es. Das war der Geruch. Wie Teebeere. Also rührte der Geruch von einer Pflanze her.
Aber vielleicht tarnte sich die Pflanze auch mit einem angenehmen Geruch, um unachtsame Besucher anzulocken. Sie ließ die Blätter fallen und rieb sich ihre behandschuhten Finger an ihrem Rock ab. Sie konnte nur hoffen, dass der Geruch, den sie eingeatmet hatte, nicht tödlich war. Sie hätte sich aus London ein Buch mitbringen sollen, eins, das sie vor Gefahren in gebirgiger Natur warnte – wie zum Beispiel Schlangen in ihrem Schreibtisch.
Sie rückte ihre Haube ein wenig nach hinten und hielt ihr Gesicht in die Sonne. Sie sollte das nicht tun, sie wusste es; Sonnenstrahlen konnten tödlich sein für ein vornehmes Aussehen. Aber in London schien die Sonne nie so strahlend. In London lag immer Kohlenstaub in der Luft, und sie hatte noch nie einen so blauen Himmel gesehen. Wenn nur nicht… tja, es machte keinen
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