Die widerspenstige Braut
desto gefährlicher klang sie. Was selbst die Kindermädchen realisierten, denn sie nickten beflissen und beeilten sich, ihren Befehlen Folge zu leisten.
Samantha fegte in ihr eigenes Schlafzimmer. Sie sah aus dem Fenster, wo die Sonne es inzwischen geschafft hatte, die Wolkendecke zu durchbrechen. Sie lächelte böse. Dann zog sie sich ihr malvenfarbenes Kleid aus und wechselte in das grüne aus Serge. Außerdem zog sie bequeme, feste Schuhe für eine Wanderung an und ging zurück, um die Kinder abzuholen. Sie fand sie sich selbst überlassen vor. Sie hatten sich auf den Fußboden des Schlafzimmers für die Kleineren gesetzt, die Köpfe eng zusammengesteckt, und wisperten miteinander. Samantha gab vor, nichts davon zu bemerken. Sie klatschte in die Hände, um ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. »Kommt mit, Mädchen. Machen wir einen Spaziergang.«
Sechs Gesichter wandten sich ihr zu. »Warum?«, fragte Agnes.
»Damit ihr mir erzählen könnt, was ihr wisst. Ich habe euch gelangweilt mit Dingen, die ihr bereits kennt. Das muss dringend geändert werden.«
»Wir sollten jetzt aber unterrichtet werden«, quengelte Mara.
»Es wird Zeit, dass wir uns gegenseitig besser kennen lernen.« Samantha warf einen Blick aus dem Fenster. »Die Sonne scheint, aber wenn ihr lieber drinnen bleiben wollt …«
Emmeline sprang auf und rannte zu Samantha. Kyla folgte ihr, die anderen etwas langsamer, wobei sie Samantha misstrauisch beäugten. Agnes und Vivian tauschten Blicke aus. Henrietta und Mara nickten wissend. Aha! Sie hatten Zeit gehabt, sich neu zu formieren. Einen Verteidigungsplan auszuhecken. Samantha konnte es kaum erwarten herauszufinden, was sie dieses Mal ausgebrütet hatten. Aber sie zweifelte nicht im Geringsten daran, dass sie dieses Mal eine erfolgreiche Gegenoffensive starten konnte.
Ein Schauder überlief sie. Jedenfalls solange keine Schlangen involviert wären.
Ungefähr alles in diesem Gregory’schen Haushalt müsste geändert werden. Sie wandte sich zur Tür und sagte: »Dies ist der erste sonnige Tag, seit ich angekommen bin, und ich habe noch so gut wie nichts von der Umgebung gesehen. Ihr könnt mir eure Lieblingsplätze und –verstecke zeigen.«
Agnes klatschte in die Hände. »Zeigen wir ihr die Seilbrücke!«
»Jaa!«, schrien die anderen. Sogar Emmeline und Kyla lachten und hüpften auf und ab.
»Das klingt wundervoll«, sagte Samantha.
Das riecht verdammt faul.
Oder auch beängstigend. Eine Seilbrücke. Bestimmt über einen Abgrund gespannt, wo sie hofften, dass sie zu Tode stürzen würde.
Sie sah die glänzenden Augen von Emmeline und Kyla und korrigierte ihre Meinung. Wo sie das Seil zum Schaukeln bringen und sie erschrecken würden.
»Ich habe meine Haube und meine Handschuhe dabei.« Sie deutete darauf. »Holt eure ebenfalls.«
Sie beeilten sich, dieser Aufforderung nachzukommen.
Ihre Hauben war genauso hässlich wie ihre Kleider, und ihre Handschuhe waren … nun ja, ungefähr die Hälfte davon fehlte.
Samantha stemmte ihre Hände auf ihre Hüften. »Es ist beruhigend zu sehen, dass ihr doch gewöhnliche Mädchen seid.«
Agnes’ Kopf fuhr herum. »Wie meinen Sie das?«
»Ihr verliert eure Handschuhe. Ihr spielt gern draußen. Ihr erinnert mich an meine anderen Schützlinge.«
»Tja, Sie erinnern mich nicht an unsere anderen Gouvernanten. Die waren klug«, entgegnete Agnes giftig.
»Sie können nicht allzu klug gewesen sein, sonst wäre zumindest eine von ihnen immer noch hier und ich in London.«
Ein Schicksal, das sie sich sehnlichst wünschte. »Vivian, wo sind deine alten Stiefel?« Während sie Mara dabei half, Vivians alte Stiefel anzuziehen, machten sich alle anderen fertig zum Gehen, und Samantha hielt ihnen die Tür auf. »Kommt schon.
Etwas Beeilung, bitte!«
Die Kinder stellten sich in einer Reihe auf wie kleine Soldaten, Kyla voran, und hinter ihr folgten die anderen der Größe nach geordnet. Agnes war die Letzte. Dann marschierten sie die Treppe hinunter, mit schwingenden Armen und klappenden Hacken. Amüsiert und verblüfft zugleich folgte Samantha ihnen durch das hohe Foyer zum hinteren Ausgang – und dieser Hinterausgang war schon großartig genug, um Samanth a auf die Eleganz vorzubereiten, die draußen ihrer harrte.
Ein Lakai öffnete ihnen die Flügeltür. Die Kinder traten hinaus auf die breite Veranda, die die ganze Länge des Herrenhauses einnahm. Samantha folgte ihnen, und zum ersten Mal eröffnete sich ihr dieses großartige Panorama. Ihr
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