Die widerspenstige Lady
wird und sich ins Landleben flüchtet.“
Ungläubig hob Hugo den Kopf. Als er sich umwandte, wirkte er allerdings ungerührt. „Ich amüsiere wich wo und wann ich will, Madam. Und derzeit bevorzuge ich es, mich in meinem eigenen Haus aufzuhalten.“
Sie biss sich auf die Lippe, wie stets, wenn sie vor scheinbar unüberwindlichen Hindernissen stand. „Nun gut, Sir, dann werden Miss Pennyworth und ich also in den Gasthof umziehen.“ Herzlich lächelte sie dem Verwalter zu. „Wären Sie so freundlich, uns dort Zimmer zu reservieren, Mr. Tatterly? Dafür wäre ich Ihnen wirklich ausnehmend verbunden.“
Der Mann errötete tief. „Selbstverständlich, Madam. Es wäre mir eine Ehre.“ Damit ging er zur Tür, wandte sich aber pflichtschuldig doch noch einmal um. „War das alles, Sir? Je eher ich unten im Dorf bin, desto schneller können wir Ihren Wünschen entsprechen.“
Hugo nickte. „Gehen Sie nur rasch, Tatterly. Wir wollen doch Lady Fenwick-Clyde keinesfalls länger warten lassen als unbedingt erforderlich.“
Der Verwalter verließ die Bibliothek.
„Haben Sie eine Zofe mitgebracht, Madam?“, fragte Hugo und trat an eins der Fenster. „Andernfalls schicke ich Ihnen eine Dienerin hinauf, die Ihnen beim Packen hilft.“
„Das wird nicht nötig sein. Darum kann ich mich schon selbst kümmern.“
„Daran zweifle ich auch nicht“, erwiderte er. „Aber warum sollten Sie es sich nicht ein wenig einfacher machen?“
„Weil ich so unabhängig bleibe.“ Sie hob eine Braue.
„Wie Sie wünschen.“
Er schien verärgert, beherrschte sich jedoch. Ihr war das gleich. Seit ihrer Ehe mit Fenwick-Clyde gab sie nichts mehr darauf, was ein Mann von ihr oder ihrer Freiheitsliebe hielt.
„Ich werde Ihnen keine Sekunde länger zur Last fallen als unbedingt notwendig.“ Damit drehte sie sich um und schritt hinaus. Je eher sie dieses Haus verließ, desto besser.
Kopfschüttelnd sah er ihr nach. Trotz der lächerlichen Aufmachung schien sie kühl und beherrscht – ganz wie eine Frau, die es mit der ganzen Welt aufnehmen konnte, falls es sein musste. Doch er wusste es besser. Unter dem Eis brodelte ein Vulkan! Schade, dass dieser Blaustrumpf so überzeugt davon schien, Männer wären zu nichts nütze …
Ein herausforderndes Lächeln umspielte seine Lippen. Es würde bestimmt amüsant sein, die ach so unabhängige Lady Fenwick-Clyde in diesem Punkt eines Besseren zu belehren.
Dann legte er den Kopf zurück und lachte. Ja, es war wirklich schön, wieder daheim zu sein.
Annabell kontrollierte ihr Reiseschreibpult. Ja, alle Federn befanden sich an ihrem Platz, und das Tintenfass war fest verkorkt. Unwillkürlich strich sie über die lederne Schreibunterlage. Mit den Jahren war sie so glatt geworden, dass das Material sich jetzt anfühlte wie Satin. In der einen Ecke befanden sich Tintenkleckse, in der anderen ihre Initialen, die sie vor Jahren in das Mahagoniholz geritzt hatte. Sie konnte sich noch immer genau daran erinnern.
Damals war sie bereits seit einiger Zeit verheiratet gewesen und furchtbar unglücklich. Guy, ihr älterer Bruder, hatte ihr Geld gegeben, damit sie dem Gemahl für eine Weile entfliehen konnte – allerdings hatte er nicht damit gerechnet, dass sie nach Ägypten aufbrechen würde. Er hatte an Schottland, Irland, ja, vielleicht sogar Italien gedacht. In diesen Ländern durfte sich eine verheiratete englische Dame in Begleitung einer Gesellschafterin durchaus aufhalten. Als er allerdings erfuhr, wohin sie tatsächlich gereist war, erlitt er einen schweren Wutanfall, doch da war es schon zu spät. Sie war längst am Ziel angekommen und vollständig begeistert.
Die Exotik der Wüste hatte sie bezaubert, die Pyramiden faszinierten sie. Damals hatte ihre Liebe zur Archäologie begonnen, die sie inzwischen wissenschaftlich betrieb. Ja, es war ihre einzige wahre Leidenschaft.
Der ägyptische Führer hatte sie gelehrt, die raue Schönheit der Wüste zu begreifen. Manchmal glaubte sie noch heute, den heißen trockenen Wind auf der Haut zu spüren.
Die Reise war der Wendepunkt ihres Lebens gewesen.
Geschichte faszinierte sie, seit sie mit ihren Brüdern die antiken Klassiker gelesen hatte, als Guy und Dominic sich aufs Studium vorbereiteten. Doch in Ägypten hatte sie die Vergangenheit mitentdecken dürfen, statt nur von ihr zu lesen.
Fenwick-Clyde drohte bei ihrer Rückkehr, die Gemahlin für immer aufs Land zu verbannen, weil sie ohne seine Erlaubnis aufgebrochen war. Doch damit konnte er
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