Die Widmung: Roman (German Edition)
typisch Boston. Sie liebte James Joyce und schwor sogar, sie habe Finnegan’s Wake gelesen und verstanden, was Zee ernsthaft bezweifelte. Dass Mattei Guinness und U2 liebte, bezweifelte Zee hingegen nicht. Zee und ihr Verlobter Michael hatten den letzten St. Paddy’s Day mit Mattei und ihrer Lebensgefährtin Rhonda in einer Bar in Southie verbracht, und Mattei hatte wacker mit den gestandenen Bostoner Iren mitgetrunken. Und erst vor einem Monat war Mattei von einem ihrer Therapiespaziergänge mit einer pinkfarbenen Armani-Sonnenbrille zurückgekommen, die dem Modell sehr ähnelte, das Zee einmal bei Bono gesehen hatte.
Mattei hatte die übliche Lesereise absolviert. Aber der Wahnsinn ging erst richtig los, nachdem sie bei Oprah aufgetreten war. In diesem Land gebe es eine zunehmende Panik, erklärte Mattei Oprah. Auf jeden Fall seit 9/11. Und die Wirtschaft? Furchterregend. »Wissen Sie, wovor Frauen die größte Angst haben? Vor der Obdachlosigkeit.« Sie fuhr fort zu erklären, dass die Allgemeinbevölkerung die größte Angst davor habe, in der Öffentlichkeit zu sprechen. Viele Leute sagen, sie würden lieber sterben, als vor einer Gruppe aufzustehen und einen Vortrag zu halten. Nachdem sie solche Statistiken heruntergespult hatte, wandte sich Mattei zur Seite und sprach direkt in die Kamera. »Wovor haben Sie wirklich Angst?«, fragte sie Amerika. Diese Herausforderung fand ihren Niederschlag in der Populärkultur. Mattei beendete ihren Auftritt mit einem sinngemäßen Zitat von Albert Einstein. Die wichtigste Frage, die ein Mensch sich stellen kann, lautet: Ist das Universum ein freundlicher Ort? , erklärte sie und übersetzte das Ganze dann in Begriffe, die jeder verstand. Sobald man das für sich entschieden hat , kann man quasi bestimmen, was die Zukunft für einen bereithält.
Ihr Buch landete an der Spitze der Bestsellerliste der New York Times und hielt sich dort zweiundsechzig Wochen. Mit Matteis wachsendem Ruhm stieg auch die Zahl ihrer Patienten exponentiell an, und sie stellte Assistenzärzte ein, aber ihre eigentliche Arbeit bestand immer noch in der Beschäftigung mit bipolaren Störungen.
»Wusstest du, dass achtzig Prozent aller Dichter an einer bipolaren Störung leiden?«, fragte Mattei Zee eines Morgens.
»Meine Mutter hat nicht gedichtet. Sie hat Kinderbücher geschrieben«, sagte Zee.
»Wie dem auch sei …«, antwortete Mattei.
»Wie dem auch sei« war wahrscheinlich das Beste, was Zee je von Mattei gelernt hatte. Schon, es war ein Ausdruck, aber es war auch viel mehr als ein Ausdruck, es war ein Konzept. »Wie dem auch sei«, das sagte man, wenn man nicht nachgeben wollte, ob man nun eine Meinung oder eine Absicht verkündete. Es war eine Aussage, keine Frage, und der einzige Ausdruck, auf den eine Antwort keinen Sinn hatte. Wollte man ein Gespräch oder einen Streit beenden, dann war »Wie dem auch sei« genau das Richtige.
Zee dachte häufig, was mit ihrer Mutter passiert war, habe mit dazu beigetragen, dass Mattei sie angestellt hatte. Maureens Fallgeschichte könnte durchaus gutes Material für ein Buch liefern. Aber Mattei war nie deswegen auf sie zugekommen. Als Zee eines Tages ihre Theorie vorbrachte, sagte Mattei nur, das sei ein Irrtum, sie habe Zee vielmehr wegen ihrer roten Haare eingestellt.
Theorie und Forschung blieben Matteis Leidenschaft, und obwohl sie eine gut gehende Praxis hatte, musste sie das immer noch ausstehende zweite Buch schreiben und ihre neue Mutter-Tochter-Theorie dokumentieren. Die meisten Patienten, die Zee betreute, waren daher Matteis Überschuss. Michael bezeichnete sie als »Wanderpokal«, ohne sich allerdings der zweideutigen Bedeutung bewusst zu sein. Er hatte das lustig gemeint und nicht negativ. Michael fand nämlich alles gut, was Mattei machte. Sie waren seit dem Medizinstudium miteinander befreundet. Als Mattei ihm vorschlug, er sollte Zee kennenlernen, denn sie hätte wahrscheinlich das perfekte Mädchen für ihn gefunden, da tat er ihr den Gefallen nur zu gerne.
Bald darauf traf sich Zee mit Michael zu einem Blind Date.
Auf Matteis Empfehlung hin hatte er sie ins Radius ausgeführt. Er hatte für sie beide bestellt, Kurobuta-Schwein und einen Zweihundert-Dollar-Barolo. Nachdem sie die Flasche ausgetrunken hatten, willigte Zee ein, mit ihm ein Wochenende auf Martha’s Vineyard zu verbringen. Nicht viel später waren sie zusammengezogen. Ähnlich wie ihre Anstellung in Matteis Praxis war die Beziehung einfach so passiert.
Was dann
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