Die Wiedergeburt (German Edition)
stand.
Wie beim Kedanierlager am Kharasee gab es auch hier keine Wachposten. Die gewaltige Kraft der nord i schen Hünen hatte sie leichtsinnig gemacht.
Die Dämmerung und ein kleines Schneegestöber ha l fen Larkyen dabei, unbemerkt in die Siedlung einzudri n gen.
Er belauschte viele Gespräche, die vom Unglauben über Boldars Niederlage handelten und in denen ein we i terer Eroberungsfeldzug in die südlichen Ländereien g e fordert wurde.
Die Fenster der Steinhäuser waren mit Fellen verha n gen, so dass Larkyen nicht hineinspähen konnte. Aber er ahnte bereits, wo Boldar die Bestie wohnte. Es musste der Mi t telpunkt der Siedlung sein – ein großer Turm, um dessen Holzpforte ein Rahmen aus menschlichen Sch ä deln in den grauen Stein gearbeitet worden war.
Mit wachen Blicken und gezogenem Schwert trat er ein. Mollige Wärme schlug ihm entgegen und tat seiner von der Kälte rissigen Haut sehr wohl. In vier Metal l schalen brannten Holzscheite und erhellten den fensterl o sen h o hen Raum. Die Luft war von Kochdünsten, Schweiß und Blut geschwängert. In der Mitte des Raums stand ein la n ger Holztisch mit vielen Stühlen, an dessen Kopf ein mit Menschenschädeln verzierter Thron aufra g te.
Falls jemand sich in den Turm befand, schien er La r kyen bisher nicht bemerkt zu haben. Er trat durch weitere Räume, allesamt von schlichter Einrichtung und hohem Bau. In manchen davon sah er Kriegsgerät wie Schwe r ter, Äxte und Speere.
Über eine Treppe gelangte er schließlich in den zwe i ten Stock des Turms. Auch hier brannte in einer Eise n schale ein offenes Feuer.
Im Schein der Flammen fiel Larkyens Blick sofort auf den verwundeten Boldar, der, nur mit einer Fellhose b e kleidet, auf einem Strohbett saß. Seine Kettenrüstung und die nietenübersäten Schulterpanzer lagen vor dem Bett auf dem Boden. Zum ersten Mal sah Larkyen die nackten Muskeln von Boldar, die selbst den stärksten Mann in südlicheren Teilen der Welt wie ein Kind erscheinen li e ßen. Doch Boldars Gesicht war bleich und zeugte von E r schöpfung und Blutverlust. Eine Frau von athletischem Wuchs bandagierte seine Wunden. Plötzlich fuhr ihr Kopf zu Larkyen herum, und ihre Augen in dem wettergeger b ten Gesicht kündeten von Verachtung. Sie zog ihr Schwert.
„Scher dich fort“, rief sie. „Wie kannst du es wagen, unser Heim zu betreten?“
Etwas in ihrem Gesicht verriet, dass sie über Larkyen und den Grund seines Kommens Bescheid wusste.
„Boldar“!“ Er hielt der Bestie die schimmernde Kli n ge des Kriegsgottes entgegen. „Ich bin Larkyen und stamme aus dem Volk der Kentaren des Westens. Ich bin der A d optivsohn von Godan und Tsarantuya vom Stamm der Yesugei, die du ermorden ließest. Ich bin ein Kind der dritten schwarzen Sonne. Du weißt, weshalb ich geko m men bin!“
Der riesige Boldar nickte stumm. Wiederum zeigte er kein Anzeichen von Furcht, und noch immer brannte in seinem Auge ungezügelte Kriegslust.
Aus einem Nebenraum kam ein Jüngling gerannt. Der nackte Oberkörper war von Muskeln bedeckt, die im Mannesalter um ein Mehrfaches zunehmen würden. Nur mit den Fäusten bewaffnet, stürzte er sich auf Larkyen.
Larkyen bekam ihn mit der freien Hand zu fassen, packte den Jüngling im Genick und stieß ihn mit dem Kopf g e gen die Steinwand. Der Schädelknochen barst in Stücke, und mit einem dumpfen Geräusch fiel der Junge zu Boden. Unter seinem Körper bildete sich eine Blu t pfütze.
Hätte Boldars riesige Hand sie nicht zurückgehalten, wäre nun auch die Frau das Wagnis eingegangen, Lark y en anzugreifen. Sie rammte die Schwertspitze in den Hol z boden, und ihre Blicke folgten dem dahinfließenden Blut.
„Unser Sohn ist tot“, flüsterte sie.
Larkyen begriff.
„Ich habe also deinen Sohn getötet, Boldar“, sagte er. „Auch wenn ich dir deinen Schmerz nachfühlen kann, sollst du wissen, dass es für mich ein Hauch von Genu g tuung ist. Doch ich bin noch lange nicht zufrieden. Bei deinem Feldzug wurde mir mein Stamm genommen, mir wurde meine Familie genommen, ebenso mein Weib und ihr ungeborenes Kind.“
Larkyen ließ die blitzende Klinge des Kriegsgottes von oben auf Boldars Weib niederfahren und spaltete i h ren Leib in zwei Teile. Ihr Blut spritzte in Boldars G e sicht, und unter Gebrüll richtete der Riese sich zu seiner vollen Größe auf. Seine Bewegung wirkte nicht mehr so kraftvoll wie damals, während ihres Zweikampfes am Ufer des Kharasees. Der lange Weg durch die Steppe zu seiner
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