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Die Wiedergeburt

Die Wiedergeburt

Titel: Die Wiedergeburt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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inständig, dass dies der richtige Augenblick war. Als sie bei der letzten Zeile angekommen war, griff sie nach der Schale. Das heiße Eisen brannte sich in ihre Hand. Sie biss sich auf die Lippe, bis sie Blut schmeckte, um nicht laut zu schreien und das Ritual womöglich zu durchbrechen. Keuchend stieß sie die letzten Worte hervor und wiederholte sie ein ums andere Mal, während sie den Inhalt der Schale über das Kreuz goss. Es zischte und dampfte, knisterte und rauschte, als der Sud mit der schwarzen Oberfläche in Berührung kam.
    Ein gellender Schrei hallte von den Mauern des Glockenturms wider und ließ die Luft vibrieren. Alexandra ließ die Schale fallen. War das Lucian? Du musst weitermachen! Nur noch eine einzige Zeile – jene, die ein wenig abgesetzt von den übrigen Versen am Ende des Textes stand –, dann war es vollbracht! Sie presste die verbrannte Hand an ihren Leib, in der Hoffnung, der Druck könne ihr den Schmerz nehmen. Als sie dazu ansetzte, die Worte zu sprechen, schoss eine weiße Wolke über den Rand des Plateaus und raste ihr entgegen. Der Unendliche! Die Finger um das Pergament geklammert, wich Alexandra an den hinteren Rand des Kreises zurück. Den Blick auf das Papier gerichtet, stieß sie die Worte hervor, in der Hoffnung, das Ritual abschließen zu können, ehe der Unendliche in ihren Leib fuhr.
    Als das letzte Wort des Rituals gesprochen war, brüllte sie: »Stirb endlich, du verdammte Bestie!«
    Dann durchbrach die Wolke die Linien des Kreises und fuhr in das Schwarze Kreuz, dessen Oberfläche noch immer unter dem Sud zu brodeln und sich darunter aufzulösen schien. Es gab einen dumpfen Schlag, dem ein ohrenbetäubender Knall folgte, als das Kreuz vor ihren Augen explodierte. Die Druckwelle schleuderte Alexandra gegen die Mauer. Der Aufprall riss ihr den Atem aus den Lungen. Keuchend sackte sie in sich zusammen. Ein stechender Schmerz durchfuhr ihre verletzte Seite, erfasste nach und nach ihren ganzen Körper und raubte ihr die Sinne. Obwohl sie kaum Luft bekam und schwarze und rote Punkte vor ihren Augen auf und ab tanzten, zwang sie sich auf die Knie. Sie wankte und wäre gestürzt, wenn Bothwell nicht nach ihrem Arm gegriffen hätte.
    Alexandra wollte aufstehen, doch er hielt sie zurück. »Nicht bewegen«, mahnte er. »Setzen Sie sich und kommen Sie erst einmal wieder zu Atem!«
    »Ist es … vorbei?«
    Bothwells Blick wanderte zum Zentrum des Kreises, in dem Alexandra eben noch gesessen hatte. »Ich denke schon.«
    Sie musste sich mit eigenen Augen davon überzeugen! Mühsam beugte sie sich nach vorne. Das Innere des Kreises war verkohlt. Dort, wo sich vor wenigen Herzschlägen noch das Schwarze Kreuz befunden hatte, kündete nur mehr ein Häufchen Asche davon, dass es je existiert hatte.
    Einen Moment lang schloss sie die Augen, riss sie jedoch sofort wieder auf. »Lucian.« Mit Bothwells Hilfe kam sie auf die Beine. Ihre Knie zitterten und die Schmerzen ließen sie beinahe wieder einknicken, dennoch wollte sie sich nicht länger davon abhalten lassen, sich endlich Gewissheit zu verschaffen.
    Auf Bothwell gestützt, ging sie zu der Stelle am Rande des Plateaus, an der Lucian sich in die Tiefe gestürzt hatte, und blickte nach unten. Lucian lag im Zentrum des Turms, das Gesicht nach unten, die Glieder auf grauenvolle Weise verrenkt. Bei seinem Anblick geriet sie ins Wanken und drohte das Gleichgewicht zu verlieren. Hätte Bothwell sie nicht festgehalten, wäre auch sie über den Rand gestürzt.
    »Ich muss zu ihm«, presste sie hervor.
    »Lassen Sie sich Zeit. Sie können sich ja kaum auf den Beinen halten.«
    »Zeit?« Alexandra starrte ihn an, als hätte er in einer vollkommen fremden Sprache zu ihr gesprochen. »Was, wenn er keine Zeit hat? Vielleicht haben Sie sich geirrt und das Ritual hat ihn genauso umgebracht wie den Unendlichen! Womöglich –«
    Bothwell schüttelte den Kopf. »Es hat ihn nicht umgebracht«, sagte er entschieden. »Nicht seine Essenz war an das Kreuz gebunden, sondern die seines Bruders. Vertrauen Sie mir.«
    Vertrauen? Dem Mann, der sie ohne weiteres zum Sterben zurückgelassen hatte? Doch zu ihrem eigenen Erstaunen tat sie das tatsächlich. Bothwell bereute, was er getan hatte. Der Mann, der sie den Jägern auf die Schwelle gelegt hatte, war ein anderer gewesen als der, der sie jetzt stützte. »Ich muss wissen, wie es ihm geht.« Danach werde ich gehen. Sie konnte nur hoffen, dass das genügen würde, um zu verhindern, dass die Prophezeiung in

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