Die Wiederkehr des gefallenen Engels
zu schützen. Ein Entschluss formte sich in ihrem Geist. Sie würde nicht noch einmal zulassen, dass ihm etwas geschah. Nicht, wenn sie es verhindern konnte.
Rottenbach war zu klein, um sich vor den Mächten des Bösen zu verstecken, und jeder andere Ort schied ebenfalls aus. Satans Krieger hatten sie schon zwei Mal gefunden, es würde ihnen wieder gelingen. Es gab nur eine Möglichkeit. Eine einzige, wenn sie überleben und Damian schützen wollte.
»Nein, das können sie nicht. Und das weißt du so gut wie ich«, sagte Lara mit fester Stimme. Sie löste sich aus seiner Umarmung, hielt aber weiterhin seine Hände fest. »Aber ich muss trotzdem nach Berlin. Muss mich meiner Bestimmung stellen. Muss mich ihm stellen.«
Die Entschlossenheit in ihrer Stimme überraschte sie selbst. Sie wusste nicht, woher sie die Kraft nahm, laut auszusprechen, was ihr so viel Angst bereitete. Aber tief in sich drin spürte Lara, dass es die richtige Entscheidung war, auch wenn die Verantwortung schwer wog.
»Lara, bitte …«
Sie legte einen Finger über seine Lippen. »Du weißt, dass es so ist. Es gibt keinen anderen Ausweg. Sie jagen mich und egal, wo ich mich verstecke, sie werden mich finden. Es gibt kein Leben für mich, solange Satan hinter mir her ist.«
»Was willst du denn tun?«, fragte Damian und Lara hörte seine Verzweiflung. Plötzlich war sie die Stärkere von beiden.
»Das weiß ich nicht. Ich werde es wissen, wenn er vor mir steht.«
»Er ist unvorstellbar mächtig, Lara. Er wird dich in die Hölle schleppen und das Ritual vollziehen.«
Sie war nun ganz ruhig. Sie wusste nicht, warum, aber plötzlich war ihre Furcht verschwunden. Vielleicht war das so: Wenn es keinen Ausweg mehr gab, konnte man alle Hoffnung und Furcht ablegen, sich auf das konzentrieren, was vor einem lag. Manchmal war eine furchtbare Wahrheit besser als die ständige Ungewissheit. Sie würde nach Berlin gehen. Dort sterben oder ihr Schicksal neu gestalten. Es würde so kommen, wie es sein sollte. Dass Damian am Leben war, gab ihr Kraft.
Ihre Gedanken wanderten zu Ben. Er hatte sie belogen. Von Anfang an. Nur seine eigenen Ziele verfolgt. Liebe geheuchelt. Sie benutzt. Er war also gar kein Mensch oder besser gesagt nur zur Hälfte, ebenso wie sie, aber statt Verbundenheit spürte sie nur Hass. Ben hatte sich schon vor langer Zeit entschieden und die dunkle Seite gewählt.
Auch wir werden uns wieder begegnen. Berlin, dort würde sich auch sein Schicksal entscheiden.
Sie dachte an ihre Großmutter. An den stillen Sam, den Dämon, der sich schützend vor sie gestellt hatte. Sein Kampf mit Ben. Da war diese Ähnlichkeit mit irgendjemandem, den sie gut kannte. Konnte es sein …?
Sie schob diesen Gedanken beiseite. Darauf würde sie hier und jetzt keine Antwort finden.
Großmutter? Als sie ihre Oma zuletzt gesehen hatte, war sie noch am Leben gewesen.
Neben ihr streckte sich Damian. »Wir sollten jetzt ein wenig schlafen. Morgen liegt ein schwerer Tag vor uns. Wir brechen noch vor Sonnenaufgang auf.«
Lara sah ihn an. Eine Frage hatte sie noch nicht gestellt. »Warum lebst du? Ich sah dich sterben.«
»Gott hat mir verziehen. Mir ein neues Leben geschenkt.« Er legte seine Arme zärtlich um Lara. »Ich bin nun wieder ein Engel. Die Zeit der Dunkelheit liegt hinter mir.«
»Dann hat dich Gott gesandt, um mich zu beschützen?«, fragte Lara voller Hoffnung.
»Ja«, sagte er leise
Sie kuschelte sich an ihn. Ein Seufzer der Erschöpfung entwich ihren Lippen. Sie schloss die Augen, genoss seine Nähe. »Und wie ist es so im Himmel?«, fragte sie, kaum noch fähig, wach zu bleiben. Sie hörte seinen Herzschlag, spürte ihn unter ihrer Hand auf seinem Brustkorb.
Dann schlief sie ein.
34.
Damian hockte in der Dunkelheit und lauschte Laras gleichmäßigen Atemzügen. Die Lüge war glatt über seine Lippen gekommen. Er hatte ihr verschwiegen, dass seine Rückkehr ins Leben gleichzeitig auch seinen Tod bedeutete. So oder so würde er sterben, aber allein die Zeit, die ihm bis dahin verblieb, war wichtig.
Ihr Gesicht hatte sich entspannt. Sie wirkte wie ein Kind. Unschuldig und verletzlich.
Dennoch war Kraft in ihr. Ein Wille, wie ihn die meisten Menschen nicht kannten. Sie wollte sich Satan stellen, ihm gegenübertreten und ihr Schicksal selbst bestimmen.
Sanft strich er ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
Sie würden nach Berlin gehen. Er an ihrer Seite. Niemals wieder wollte er sie verlieren. Lieber sterben. Was bedeutete ein Leben
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