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Die Wiederkehr

Die Wiederkehr

Titel: Die Wiederkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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ein Stück herausgebrochen, groß genug, um einen Mann in
gebückter Haltung passieren zu lassen. Verborgen in der Dunkelheit
stand mindestens ein Dutzend Männer und wartete auf sie.
Andrej blieb stehen.
»Was hast du?«, fragte Thilo, der dicht hinter ihm ging, und um ein
Haar in ihn hineingelaufen wäre. Um Andrej nicht zu verletzen, hob
er seine Fackel höher, sodass die Flamme an der schmierigen graugrünen Schicht entlangzischte, die jeden Zoll der Wände und Decke
besudelte.
»Da vorne ist jemand«, antwortete Andrej. »Männer. Mindestens
ein Dutzend.«
Thilo legte den Kopf auf die Seite und tat so, als lausche er angestrengt, aber er war kein besonders guter Schauspieler. Zweifellos
verrieten ihm seine normalen menschlichen Sinne nicht, wie viele
Männer dort vorne in der Dunkelheit auf sie warteten, aber ebenso
zweifellos wusste er, dass sie da waren. Andrej musste nur einen
einzigen Blick in sein Gesicht werfen, um zu begreifen, dass die
Anwesenheit jener Unbekannten den Hauptmann nicht im Geringsten
überraschte. Ganz im Gegenteil war er plötzlich sicher, dass er die
ganze Zeit über von ihrem Dasein gewusst hatte.
»Wir haben nichts zu befürchten«, sagte Thilo schließlich ausweichend.
Andrej lauschte noch einen weiteren Augenblick in die Dunkelheit
hinein. Es war fast so, als könne er die Gruppe heruntergekommener
zerlumpter Männer und Frauen sehen, die dort vorn auf sie wartete:
Die meisten von ihnen schienen bewaffnet zu sein, wenn auch vermutlich mit kaum mehr als Knüppeln, Latten und herausgerissenen
Eisenstangen. Und ausnahmslos hatten sie Angst.
»Wäre es nicht an der Zeit, mich aufzuklären, von wem wir nichts
zu befürchten haben?«, wollte er wissen.
Thilo mochte ein erbärmlicher Lügner sein, aber er kannte seine
Grenzen. Er versuchte nicht, Andrej eine weitere Lüge aufzutischen
oder sich herauszureden, sondern rettete sich in ein Achselzucken
und ein vollkommen verunglücktes Lächeln. »Sie leben hier unten«,
erklärte er. »Niemand, der dich interessieren müsste. Gesindel.«
»Gesindel?« Die Art, in der Thilo das Wort aussprach, machte Andrej deutlich: Wer immer diese Leute waren, Thilo verachtete sie nicht
annähernd so sehr, wie er vorgab.
Dennoch fuhr er mit einem verächtlichen Verziehen der Lippen
fort: »Die Ausgestoßenen. Die Kranken und Siechen, die sie oben in
der Stadt nicht mehr wollen.« Er hob die Schultern. »Vielleicht auch
ein paar Halunken, denen der Boden oben in der Stadt zu heiß geworden ist, sodass sie es vorziehen darunter zu leben.«
Andrej sah den hünenhaften Krieger überrascht an. »Und sie werden nicht versuchen, ihr Handwerk an uns auszuprobieren?«, fragte
er.
Thilo lachte flüchtig und bedeutete ihm mit der freien Hand weiterzugehen. »Sie lassen uns in Ruhe, solange wir sie in Ruhe lassen«,
sagte er.
Seine Worte wollten nicht recht zu dem passen, was Andrej hörte
und fühlte. Die Gruppe dort vorn hatte nicht nur Angst. Er spürte
einen fast ebenso großen Zorn und eine allmählich größer werdende
Entschlossenheit. Dennoch wandte Andrej sich achselzuckend um
und trat gebückt durch die Lücke in dem eisernen Gitter, um seinen
Weg fortzusetzen.
Irgendwann einmal musste es hier eine Treppe gegeben haben, die
aber schon vor langer Zeit zusammengebrochen war, sodass der Weg
nach unten zu einer nicht ungefährlichen Kletterpartie wurde, die
Andrejs ganze Aufmerksamkeit beanspruchte. Unten angelangt, trat
er einen halben Schritt zur Seite, um Thilo und den anderen Platz zu
machen. Er lauschte wieder in die Dunkelheit hinein.
Zu seiner Überraschung spürte er… nichts mehr. Die Gruppe unheimlicher Beobachter war verschwunden. Das Rauschen des fünf
Meter hohen, schmierigen Wasserfalls hinter ihnen übertönte fast
jeden anderen Laut. Andrej glaubte tappende Schritte zu hören, die
sich rasch entfernten, aber nicht einmal dessen war er ganz sicher.
Die anderen trafen nacheinander neben ihm ein, und Thilo, der den
Schuttberg als Letzter heruntergekommen war, ging rasch ein paar
Schritte voraus und hob seine Fackel. Der Weg vor ihnen war frei.
Nichts war zu hören.
»Ich sagte dir doch: Wir haben nichts zu befürchten«, begann Thilo,
während er seine Fackel sinken ließ und Andrej mit der freien Hand
zu sich heranwinkte. Er wirkte erleichtert, als er fortfuhr: »Sie wollten sich nur ein Bild machen, wer wir sind.«
»Du kennst diese Leute«, sagte Andrej. »Ich meine: Du weißt nicht
nur von ihrer

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