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Die Wiederkehr

Die Wiederkehr

Titel: Die Wiederkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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heftiger, sie entbehrten auch nicht
einer gewissen Regelmäßigkeit. Die nächste Attacke musste bald
folgen.
    Vielleicht, dachte Andrej, waren die letzten Verluste, die sie den
Angreifern zugefügt hatten, doch schlimm genug gewesen, um ihnen
den Mut zu einem weiteren Versuch zu nehmen. Aber er wusste nur
zu gut: Einen Feind, der schon lange nicht mehr am Leben war,
schreckte der Tod nicht besonders. Trotzdem nickte er.
    Der letzte unverwundete Soldat ergriff mit einem stummen Seufzen
sein Schwert und nahm zwei Schritte vor dem Mauerdurchbruch mit
leicht gespreizten Beinen Aufstellung, um ihnen Deckung zu geben.
Er stand vollkommen ruhig und mit unbewegtem Gesicht da, aber
Andrej ließ sich von dieser Haltung nicht täuschen. Der Mann war zu
Tode erschöpft und halb wahnsinnig vor Angst, auch wenn er sich
alle Mühe gab, sich nichts davon anmerken zu lassen.
    »Nur eine Minute, Andrej«, murmelte Thilo. »Ich… bin gleich
wieder bei Kräften.«
Das Zittern seiner Stimme und die unnatürliche Blässe seines Gesichts machten Andrej seinen Zustand weit deutlicher, als seine Worte es gekonnt hätten. Während der letzten Meile des Weges hatte er
seinen verwundeten Kameraden getragen und sich dabei mit der freien Hand der Angriffe ihrer unheimlichen Gegner erwehrt. Jetzt
schienen auch seine gewaltigen Körperkräfte erschöpft zu sein.
Dennoch hütete sich Andrej, ihm seine Hilfe anzubieten, denn sein
Schwert und seine Unverwundbarkeit waren nahezu alles, was noch
zwischen ihnen und dem sicheren Tod stand.
»Ihr müsst mich zurücklassen«, stöhnte der Verwundete. »Ich halte
euch nur auf.«
»Blödsinn«, antwortete Thilo grob. »Wir haben es fast geschafft.
Lass mich nur kurz zu Atem kommen, dann geht es weiter.«
Der Soldat schüttelte trotzig den Kopf und versuchte sogar, seinen
Arm von Thilos Schulter zu nehmen, was von diesem aber mit einer
fast schon groben Bewegung verhindert wurde. »Sei vernünftig, Thilo«, stöhnte er.
»Ihr werdet alle sterben, wenn ihr euch weiter mit mir abschleppt.
Ich sterbe doch sowieso.«
Er hob die linke Hand, von der drei Finger und ein Stück des Handballens fehlten. Gleich bei einem der ersten Angriffe hatte ihm ein
Untoter nicht nur die Finger abgebissen, sondern ihm auch mit seinen
scharfen Klauen den Rücken zerfetzt. Die Wunden hatten bis jetzt
nicht aufgehört zu bluten.
»Halt endlich den Mund«, grollte Thilo, ergriff die Hand seines
Kameraden fester und stieß sich mit einem hörbaren Ächzen von der
Wand ab.
Andrej ging voraus, der dritte Soldat bildete den Abschluss, während sie am Ufer des Abwasserkanals entlanggingen. Sie besaßen nur
noch eine Fackel, die Thilo in der freien Hand trug. Die anderen hatten sie eine nach der anderen verloren, als Thilos Männer unter den
Klauen der Angreifer gefallen waren. Andrej lauschte konzentriert in
die vor ihnen liegende Dunkelheit hinein. Das vielleicht Unheimlichste an den Untoten war, dass er sie nicht deutlich genug spüren
konnte. Er fühlte ihre Anwesenheit überall rings um sich herum, aber
es war ihm nicht möglich, sie genau zu orten, wie er es mit einem
Wesen seiner eigenen Art gekonnt hätte.
Die Blutflecken, die sie an jenen unheiligen Ort hinter der durchbrochenen Mauer geführt hatten, waren mittlerweile eingetrocknet,
aber noch immer deutlich genug zu erkennen, um Andrej zu sagen,
dass es nicht mehr weit bis zu der zerbrochenen Treppe und dem
Gitter war. Dahinter wurde der Weg nicht nur leichter, sondern verzweigte sich auch zu einem wahren Labyrinth aus zahllosen Kreuzungen, Treppen und Abzweigungen, in dem sie eine weitaus bessere
Möglichkeit haben mochten, ihren Verfolgern zu entkommen.
Die Untoten warteten am Fuß der zusammengebrochenen Treppe
auf sie. Andrej hätte die scharfen Sinne eines Vampyrs nicht gebraucht, um die Gefahr zu spüren, die wenige Dutzend Schritte vor
ihnen lauerte. Er hörte das Rascheln und Scharren zahlreicher Füße
und ein Geräusch, als klapperte loses Gebein aneinander. Ein erbärmlicher Gestank schlug ihnen entgegen, der Andrej selbst in der
mit Moder und Verfall gesättigten Luft hier unten schier den Magen
umdrehte. »Sie sind dort vorne«, sagte er leise. »Direkt vor der Treppe, schätze ich. Mindestens ein Dutzend. Wenn nicht mehr.«
»Ich weiß«, antwortete Thilo.
Der Soldat fügte mit fast unmerklich zitternder Stimme hinzu: »Ich
glaube, hinter uns sind auch welche. Sie kreisen uns ein.«
Andrej fuhr sich mit der Zungenspitze über

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