Die Wiederkehr
Andrej hörte, wie mehrere seiner
Männer hinter ihn traten. Ohne sich umzudrehen, wusste Andrej,
dass sie ihre Waffen in den Händen hielten.
»Was seid Ihr, Andrej Delãny?«, fragte Thilo »Ein Hexenmeister,
der sich mit schwarzer Magie befasst?«
»Sagen wir, ein Mann, der viele Länder bereist und Dinge gesehen
hat, die die meisten anderen nicht einmal glauben würden, wenn sie
sie sehen würden.«
Er hatte sich nicht in Thilo getäuscht. Der Hauptmann sah ihn noch
einen Atemzug lang mit unverhohlenem Misstrauen an, aber dann
atmete er hörbar auf, und Andrej konnte spüren, wie sich auch die
Männer hinter ihm entspannten. »Du willst also sagen, dass dieser
Mann hier unten gestorben ist, aber doch auch nicht?«, vergewisserte
er sich.
Andrej nickte, und Thilo fuhr verstört fort: »Aber wie kann das
sein? Er sieht aus, als wäre er bei lebendigem Leib verrottet!«
»Ich weiß nicht, was ihn so hat werden lassen, und ich glaube, ich
will es auch gar nicht wissen«, sagte er. Beides entsprach der Wahrheit. »Was mich viel mehr beunruhigt, ist die Frage, wie er hierher
kommt.«
»Und ob es noch mehr davon gibt«, fügte Thilo hinzu. Für Andrej
war das keine Frage, und für den Hauptmann - jedenfalls nahm er das
an - und seine Männer im Grunde auch nicht. So schrecklich die
Kreatur auch gewesen sein mochte, sie allein wäre wohl kaum in der
Lage gewesen, das Blutbad anzurichten, dessen Spuren sie hierher
geführt hatten.
»Gehen wir weiter?«, wollte einer der Soldaten wissen.
Die Frage galt Thilo, nicht Andrej, und der Hauptmann antwortete
nicht gleich, sondern sah Andrej und den kopflosen Leichnam abwechselnd an, bevor er fast widerwillig nickte. »Wir haben einen
Auftrag«, sagte er.
»Das hier könnte wichtiger sein«, gab der Mann zu bedenken. Es
klang beunruhigt. »Wenn es wirklich noch mehr von diesen…« Er
rang um Worte und brachte es nicht fertig, das Wesen länger als einen Herzschlag anzublicken. »… von diesen Ungetümen gibt, dann
sollte der Graf davon erfahren.«
Wieder überlegte Thilo einen Moment angestrengt, bevor er mit einem knappen Nicken antwortete. »Du hast Recht«, sagte er. »Geh
zurück und berichte Graf von Salm von dem, was hier geschehen ist.
Andrej und wir gehen weiter, damit er seinen Auftrag erfüllen kann.«
Er stand auf und schloss die rechte Faust um den Schwertgriff. »Ich
frage mich nur, was wir tun sollen, wenn wir auf noch mehr von diesen Ungeheuern treffen.«
Es sollte nicht lange dauern, bis sie die Antwort auf diese Frage bekamen.
Sie waren zu acht gewesen, als sie die Kammer verlassen hatten.
Als sie zurückkamen, waren sie noch vier. Einer der beiden Soldaten,
die von Thilos kleiner Armee noch geblieben waren, würde die nächste Viertelstunde nicht überleben. Oder den nächsten Angriff, falls
dieser früher erfolgen sollte, was Andrej mit ziemlicher Sicherheit
annahm.
Auf dem letzten Stück des Rückwegs, (eine mehr als beschönigende Bezeichnung für die verzweifelte Flucht, die es ins Wirklichkeit
gewesen war) waren sie ununterbrochen attackiert worden, und trotz
der entsetzlichen Verluste, die sie ihren Gegnern beigebracht hatten,
schien es Andrej, dass jeder Angriff mit nur noch größerer Wut und
Entschlossenheit erfolgt war als der vorhergehende.
Er wusste nicht, wie viele der schrecklichen untoten Angreifer er
enthauptet oder mit gewaltigen beidhändigen Schwerthieben in Stücke gehackt hatte. Es musste ein Dutzend gewesen sein. Thilo und
seine Männer hatten mindestens noch einmal dieselbe Anzahl der
grässlichen Kreaturen ausgeschaltet. Ein einziger, wohl gezielter
Schwerthieb hatte zumeist ausgereicht, um sie zu erledigen. Mit ihrer
Menschlichkeit schienen sie auch jedes bisschen Vernunft verloren
zu haben, denn keiner von ihnen hatte auch nur versucht, eine Waffe
zu benutzen. Aber sie waren schnell, sie bewegten sich nahezu lautlos, und sie kannten weder Furcht noch schienen sie empfänglich für
körperlichen Schmerz zu sein. Und vor allem: Ihre Zahl schien unerschöpflich zu sein.
»Andrej! Warte!« Thilo, der sich den Arm des Verletzten um die
Schultern geschlungen hatte und ihn stützte, lehnte sich erschöpft
gegen die Wand und rang nach Atem. Er zitterte vor Erschöpfung am
ganzen Leib. »Nur einen… Moment«, presste er mühsam hervor.
Sie hatten keinen Moment, das wusste Thilo ebenso gut wie Andrej.
Obwohl die Untoten über keinerlei Plan zu verfügen schienen, wurden ihre Angriffe nicht nur immer
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