Die Wiederkehrer
gemacht, oder?“, fragte er. Niko schüttelte den Kopf.
„Du kannst mir nicht weismachen, dass das hier dein erstes Mal war“, gab Bernd bestimmt von sich.
„Ich glaub, mir ist gerade bewusst geworden, dass ich schon immer schwul war. Zumindest würde es vieles erklären. Verdammt viel. Aber das hier … war definitiv mein erstes Mal“, gestand Niko. Bernd lachte und warf selig den Kopf gegen den Schrank.
„Drei Jahre“, rief er plötzlich und griff sich an die Stirn, „Drei verdammt lange Jahre hab ich
darauf
gewartet.“ Bernd schüttelte ungläubig den Kopf, tastete nach Nikos Hand, blinzelte ihn amüsiert und zugleich glücklich an und meinte: „Du kannst dir nicht vorstellen, was das für mich bedeutet.“ Er drückte Nikos Finger, hing erschöpft gegen den Schrank gelehnt da und blickte auf das quälende Zelt der Jogginghose.
„Das hat dir wohl
wirklich
gefallen.“
„Sag ich doch“, erwiderte Niko.
„Zieh deine Hosen aus und komm zu mir“, raunte Bernd. Das ließ sich Niko nicht zweimal sagen. Rasch schob er sich die restlichen Kleider vom Leib und krabbelte auf den Mann zu, dessen Blick ganz von Nikos wippender Erektion gefangen war.
Plötzlich läutete ein Handy im Wulst der Hosen um Bernds Knie.
„Nicht jetzt!“, knurrte dieser und legte eine Hand auf Nikos Bauch, streichelte abwärts. Der Anrufer gab wohl nicht so schnell auf. Fluchend ließ Bernd von Niko ab und pfriemelte das Handy hervor. „Scheiße! Da muss ich ran. Das ist mein Verleger, auf den Anruf warte ich schon den ganzen Tag.“
„Strohein“, brummte er ins Telefon, klemmte es zwischen Ohr und Schulter, erhob sich und zog sich die Hosen hoch, verstaute seinen schönen Schwanz. Schon der Gesprächsbeginn ließ erahnen, dass es ein zermürbendes Gespräch war. Während Bernd eifrig auf und ab lief, warf er Niko einen entschuldigenden Blick zu, deutete ihm aber mit der Hand zu bleiben, zu warten. Doch das Telefonat entwickelte sich wohl etwas beschwerlicher als erwartet. Niko wollte dabei nicht zuhören. Er schlüpfte in seine Sachen und deutete mit einer Handbewegung, dass er wieder in seine Wohnung hochgehen wollte. Bernd wirkte geknickt, aber nickte.
Niko schlüpfte in die Schuhe und hatte schon den Türgriff in der Hand, da schritt Bernd energisch, mit dem Handy am Ohr, in das jemand offenbar recht aufgebracht plapperte, auf ihn zu. Er legte eine Hand in Nikos Nacken und fing dessen Lippen zu einem kurzen Kuss.
„Ja, ich hör Ihnen zu“, brummte Bernd ins Telefon, als er sich von Niko löste und lief eifrig diskutierend wieder ins Wohnzimmer. Niko warf ihm einen letzten Blick zu, Bernd winkte ihm, dann verließ er die Wohnung.
Das weisse Zeug
Im Schwimmbad war die Hölle los. Kleine Kinder quietschten, größere kreischten, Pubertierende quasselten und die Erwachsenen managten ihre Nachkommen. Dazwischen ruhten, wie tote Fische, Rentner, ließen die Sonne auf ihre braun gegerbte Haut knallen. Von der Wasserrutsche her tönte Geschrei, es wurde geplanscht, gespritzt und immer mal wieder rollte ein Ball auf Niko und seine Freunde zu. Es roch nach Sonnencreme und Chlor. Klaus, Fredi, Ben und Karin spielten UNO nach eigens kreierten Spielregeln, die alle zehn Minuten in heftigen Diskussionen und einem unfreiwilligen Sturz ins Becken endeten.
Niko konnte sich kaum mehr erinnern, wann er zuletzt im Freibad gewesen war. Sein zwanzigjähriger Körper erst vor wenigen Tagen, er selbst aber hatte es schon viele Jahre gemieden. Zu viele Kinder, zu viele Alte, überhaupt zu viele Menschen. Diese Ansicht hatte sich nicht geändert, der Menschenauflauf nervte – aber Niko war der Nostalgie erlegen, Szenen seiner Jugend noch einmal zu erleben. Doch es gab keine echten Wiederholungen. Vor zehn Jahren hatte er an Bens Stelle gesessen und versucht, heimlich Karins Bikini zu öffnen. Sein Bruder dagegen saß damals gegen einen Baum gelehnt, die Arme wütend verschränkt und hatte Niko die ganze Zeit über schnaubend mit vernichtenden Blicken durchbohrt.
Nun war es Nikos Rücken, der sich gegen die Rinde des Baumstamms drückte und er sah den anderen dabei zu, wie sie ihren Spaß hatten, als wäre er ihr Onkel oder ein väterlicher Freund. Niko fühlte sich ihnen nicht mehr zugehörig. Es war nicht in erster Linie das Alter, sondern die Tatsache, dass er ein Wiederkehrer war, die ihn von den anderen langsam wegtreiben ließ. Niko vermisste Bernd. Mit ihm hätte er jetzt über all das reden können, was ihn
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