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Die Wiederkehrer

Die Wiederkehrer

Titel: Die Wiederkehrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kooky Rooster
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Alkohol.
     ***
    Als der Wecker am folgenden Morgen seinen üblichen Dienst verrichtete, pfählte er regelrecht Nikos Gehirn. Mit pochenden Kopfschmerzen fand sich dieser auf dem Wohnzimmersofa wieder und sein Magen fühlte sich an, wie mit Beton ausgegossen. Aus unerfindlichen Gründen schmeckten seine Lippen süß und fruchtig. Benommen taumelte Niko ins Bad. Himmel, er sah aus wie ein Clown! Die Haare standen grotesk vom Schädel ab, er war bleich im Gesicht, hatte geschwollene Augen und einen …
Clownsmund
 … knallrot und dick umrandet. Was hatte er letzte Nacht – um Gottes Willen – gemacht? Niko wusste, dass er gelegentlich im Rausch einen Fressanfall bekam und dann Zeug in unmöglichsten Kombinationen in sich reinstopfte. Vermutlich war nichts Besseres dagewesen als … Marmelade.
    Eine Dusche und ein Aspirin später fühlte sich Niko fit genug, um zur Arbeit zu fahren – wenn auch nicht ausreichend, sie zu verrichten. Den Vormittag über tappte er durch die Druckerei wie ein Koala auf Entzug, nur dass sein borstiges Fell nach innen gerichtet war. Wie hatte der gestrige Abend noch so entgleisen können? Warum hatte er nicht rechtzeitig aufgehört zu saufen? Niko hörte Heidis rhythmisches Gepolter in seinem geschundenen Hirn tausendfach widerhallen, wo der Verputz abbröckelte und erst den Mund, dann den Magen verstaubte. Wuärgs! Nie wieder Alkohol! Der meist getätigte und gebrochene Schwur dieser Welt, direkt nach
'ab morgen mach ich Sport'
und
'ich hör jetzt zu rauchen auf'
. Weder konnte sich Niko daran erinnern, wie er aufs Sofa gekommen war, noch daran, dass er Marmelade gegessen hatte.
    Gegen Mittag kamen die ersten Erinnerungsfetzen. Zum Beispuel an den Plan, sein heterosexuelles Leben in einem schwarzen zweihundertfünfzig Liter Müllsack zu verstauen – wobei dieses kaum einen Schuhkarton füllte. Ach ja, und da war ihm die zerfledderte Ausgabe von Cyrano de Bergerac in die Hände gefallen. Er hatte darin gelesen, war gefesselt gewesen von den schwülstigen Reimen, hatte einen richtigen Romantikkoller bekommen. Als er neben der dahin tackernden Druckmaschine stand, drängte sich nach und nach und mit beängstigender Vehemenz ein Gedicht in Nikos Erinnerung. Zunächst nur eine Zeile, aber nach und nach polterte es in sein Bewusstsein und rezitierte sich ganz von selbst immer wieder in seinem Schädel – in dem ein alter, fusseliger Filzteppich ausgelegt war.
    Haut an Haut, 
Rippen an Rippen,
Herz geklaut
und deine Lippen.
Mund auf Mund,
Bauch an Bauch,
im Kopf geht es rund,
im Herzen auch.
Hand aufs Herz,
Herz auf die Hand,
für dich ist's ein Scherz,
für mich ist's ein Pfand,
Wange an Wange,
Brust an Brust.
Gott, wird mir bange!
Teuflische Lust!
Kaum in der Ferne,
schon bitter Nah,
erkaltete Wärme,
trübendes Klar.
Schnelles Herz,
dein Schicksal ist Leid,
schnöder Reiz,
im glücklosen Kleid.
    Und dann war sie da. Die Erinnerung. Welch Glück doch die Vergesslichkeit ist! Schade, dass sie Niko nicht dauerhaft mit ihrem schmucken Kleid zierte. Mit einem Ruck wurde der Teppich in Nikos Magen herausgerissen, wie von groben Händen entschlossener Handwerker, danach knallte die riesige Betonkugel einer Abrissbirne direkt in sein Gemüt. Herrgott im Himmel, was hatte er getan? Niko torkelte aufs Klo und wusch sich den klammen Schweiß von den zitternden Händen, aber dieser kam immer und immer wieder. Der Kater hatte die Flucht ergriffen und stattdessen hockte nun ein trostloses Peinschwein satt, grau und borstig in seinem Inneren und glotzte Niko aus ebenso traurigen wie gemeinen Knopfaugen an. Verflucht. Verdammt. Niko schaute auf die Uhr. Noch zwei Stunden. Er musste noch verdammte zwei Stunden hier ausharren, bis er nach Hause konnte und hoffentlich – Niko wurde spontangläubig – lieber, bester, allerheiligster Gott, den Schaden beseitigen konnte, ehe dieser angerichtet war.
    Daheim angekommen stürzte Niko auf den Balkon und stolperte über den Bierflaschenfriedhof, dessen Ausmaß – außer einer unglücklichen Liebe – allerhöchstens das Fußball WM-Finale mit seinen Freunden gerechtfertigt hätte. Mitten unter ihnen ein inzwischen in der Sommersonne verdorbenes, geöffnetes Glas mit Erdbeermarmelade, Zettel, Stifte und ein Bindfaden. Niko schob das alles beiseite, lehnte sich übers Geländer und ließ einen erleichterten Stoßseufzer aus. An der Schnur baumelte noch das Papierröllchen mit dem peinlichen Gedicht, das er im Suff für romantisch gehalten und Bernd auf diese

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