Die Wiege des Windes
Vorfall hat mir Romanow zu verstehen gegeben, dass ich mir nun mein Geld verdienen müsste. Ich wusste, was er meinte.«
Es klopfte. Trevisan wandte sich um. »Ja, verflucht noch Mal!«
Die Tür schwang auf und Kirner schaute herein. »Nur eine Minute«, sagte er. »Es ist wichtig.«
Trevisan erhob sich und zog die Tür hinter sich zu. »Was ist denn los?«, fragte er unwirsch. »Er redet sich gerade sein schlechtes Gewissen von der Seele.«
Kirner hob beschwichtigend die Hände. Er wusste, welche Folgen es haben konnte, einen redefreudigen Beschuldigten zu unterbrechen. »Ich wurde angerufen. Romanow ist ins Bremer Hilton zurückgekehrt. Er hat zwei große Reisetaschen bei sich.«
Trevisan klatschte mit der Faust in die rechte Handfläche. »Die Kollegen sollen zugreifen, bevor er verschwindet.«
»Die Sache ist offenbar komplizierter. Romanow war noch keine Minute auf seinem Zimmer, da bekam er Besuch von einem unbekannten Mann.«
Trevisan biss die Zähne zusammen. »Der Gesandte von diesem Petrov! Ist er gekommen, um ihn zu töten?«
»Oder um ihn zurück nach Russland zu bringen«, entgegnete Kirner. »Wir müssen davon ausgehen, dass er Romanow als Geisel nehmen wird, wenn wir ungeschickt vorgehen.«
»Was ist mit dem Sondereinsatzkommando?«
Draußen war der Lärm eines Hubschraubers zu hören. Kirner schaute zum Fenster hinaus. »Wenn wir uns beeilen, kommen wir noch rechtzeitig vor dem Zugriff dort an.«
45
Die Bell der Flugbereitschaft landete keine zehn Minuten nach Anforderung auf dem kleinen Hubschrauberlandeplatz hinter dem Oldenburger Polizeigebäude. Ein Windstoß fegte Trevisan die Haare ins Gesicht. Der Pilot ließ die Rotorblätter stetig kreisen. Er kannte das Ziel und auch die Dringlichkeit des Fluges.
»Wie lange brauchen wir?«, rief Kirner dem Co-Piloten zu. Der Lärm war kaum zu übertönen. Der Pilot wies auf einen Kopfhörer mit Sprecheinrichtung, der über Kirners Kopf hing. Kirner setzte ihn auf und wiederholte seine Frage.
»Zwanzig bis fünfundzwanzig Minuten«, erhielt er zur Antwort. Der Pilot erhöhte die Drehzahl und kurz darauf hob der weiß-grün gestrichene Helikopter ab.
Als der Hubschrauber auf dem Landeplatz des Krankenhauses mitten in Bremen aufsetzte, stand dort ein grauer BMW bereit. Zwei Männer in dunklen Anzügen warteten davor. »Wir müssen gleich los!«, empfing sie ein hagerer, groß gewachsener Zivilbeamter mit dunkler Brille. »Die Einsatzkräfte sind im Stockwerk und haben das Zimmer unter Kontrolle. Bislang ist alles ruhig.«
Der Wagen kämpfte sich durch die Innenstadt bis zum Zentrum der Hansestadt und stoppte am überdachten Hintereingang des Hilton- Hotels. Durch den Service-Eingang, den sonst nur die Bediensteten und die Händler benutzten, gelangten sie in das Gebäude. Ein kleiner untersetzter Mann mit Glatze und dichtem Bart erwartete sie im Treppenhaus; neben ihm stand der Leiter des Bremer Einsatzkommandos in einer schwarzen Montur mit martialisch wirkenden grünen Protektoren an Brust, Armen und Beinen.
»Rieder, Leitender Kriminaldirektor«, grüßte der Bärtige. »Wir brauchen ein paar Details, damit wir die Lage richtig bewerten können.«
Kirner stellte sich vor und erzählte ihm, wer sich im Zimmer 312 aufhielt und was hinter der Sache steckte.
»Das heißt also, wir wissen nicht, was uns erwartet«, stellte der SEK-Beamte fest.
»Nein, wir wissen nicht genau, ob Romanow dem Russen freiwillig folgen wird oder ob er sich in dessen Gewalt befindet«, mischte sich Trevisan ein. »Wir müssen aber damit rechnen, dass geschossen wird, sobald sie die Polizei erkennen, deshalb halte ich es für wichtig, dass wir die Aktion auf das Zimmer und den näheren Umkreis beschränken. Der Mann aus Russland ist ein Einzelkämpfer mit Spezialausbildung. Er hat eine Eliteeinheit der Roten Armee geleitet.«
»Der dritte Stock wurde von uns geräumt«, erklärte der bärtige Kollege der Bremer Kripo. »Nur die Zimmer in unmittelbarer Nähe sind noch bewohnt. Wir wollten kein Aufsehen erregen.«
»Welche?«
»311 und 324 gegenüber. Auf 311 logiert ein Anwalt und 324 ist an ein amerikanisches Pärchen vermietet. Geschäftsleute aus Detroit.«
»Können wir Romanows Raum irgendwie abhören oder besser mit einer Kamera überwachen?«, fragte Kirner.
»Wir arbeiten daran«, antwortete der Einsatzleiter des SEK.
»Gut, dann schaffen wir jetzt die Leute aus dem Zimmer«, beschloss Kirner. »Wir können nicht riskieren, dass Unbeteiligte im Falle
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