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Die wilde Gärtnerin - Roman

Die wilde Gärtnerin - Roman

Titel: Die wilde Gärtnerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milena-Verlag <Wien>
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jedem Stuhlgang, so lange, bis ihre Exkremente im Topf bis unter den Deckel reichten. Abschließend warf Moiha eine Portion Sauerkraut zusätzlich zur Holzkohle in den Topf (die Leute in Moias Dorf waren nämlich ganz verrückt nach Sauerkraut, sie hielten es für heilig), dann machte sie ein letztes Mal den Deckel zu und begrub den Topf unter einer dünnen Erdschicht. Viele Vollmonde lang ließ sie ihr Experiment im Stillen arbeiten. Als sie an den Ort zurückkam, hatte er sich in dicken, satten, schwarzen Boden verwandelt, auf dem grüne Pflänzchen sprossen, die sich anschickten, stattliche Urwaldbäume zu werden. Moihas Kennerblick attestierte eine Bodenwertzahl von einhundert.«
    Weil Helen gar so hingerissen von Leos Fabulierkunst war, unterbrach sie ihn kurz mit einen hingewischten Kuss, gerade einmal so lange, dass ihre Lippen die Erinnerung an seine weichen Wangen wieder auffrischten.
    »Nicht stören! Die Sache ist noch nicht zu Ende. In etwa zur gleichen Zeit, als der liebe Neidhart in Österreich den Hofstaat der Herzogin zu seinem Veilchen lockte, führte Moiha die Dorfgemeinschaft zu ihrem Topf und erklärte das Experiment in knappen Worten. Vorgänge der Fermentierung, Sprengung des Tons, Stickstoff-, Phospat- und Kaliumgehalt menschlicher Scheiße, CO 2 -Speicherfähigkeit der sich selbst produzierenden schwarzen Erde. Um ihrer Erkenntnis Nachdruck zu verleihen und ihrem Dorf die Annahme leichter zu machen, rückte sie das irdische Dasein des Menschen in spirituelle Höhen: ›Seht ihr? Wir erzeugen unsere Scheiße in göttlichem Auftrag. Ihrethalben sollt ihr froh, glücklich, geistreich sein und euch vermehren. Denn sie ist wertvoll wie ein kleines Brot – ähm – eure Scheiße ist so wertvoll wie der kleine Tod – nein, was ich sagen wollte ist … hier wird immerwährend Weißkraut für Sauerkraut wachsen.‹ Moiha verlor sich in Argumenten, aber der Boden unter ihren Füßen hatte die Dorfgemeinschaft längst überzeugt. Fortan wurden rund um die Siedlung Tontöpfe in die Erde versenkt und gewissenhaft gefüllt. Die Dorfbewohnerinnen und -bewohner konnten auf dem nährstoffreichen Boden Landwirtschaft kultivieren und Getreidesorten züchten. Sie pflegten ihren sozialen Zusammenhalt, verfeinerten die Kultursparten Essen, Trinken und Geschlechtsverkehr, veredelten Bildende, Darstellende und alle weiteren Künste. Schwarze Erde quoll aus den Tontöpfen, wuchs über das Siedlungsgebiet hinaus, eine Artenvielfalt, üppiger als im Rest dieses Landstrichs, entstand. Alle lebten glücklich und zufrieden. Selbst Hanik, den Moiha doch noch irgendwann auf der Lichtung beim Fluss besucht hatte, freute sich über die vollgeschissenen Stoffwindeln seiner erstgeborenen Tochter. Ja, die Geschichte der Menschheit hätte eine zufriedene, humusreiche Spur hinterlassen können. Doch die außergewöhnliche Vegetation dieses Abschnitts des Amazonasbeckens machte portugiesische Konquistadoren auf Moihas Dorf aufmerksam. In wenigen Jahren waren der Urwald gerodet, das Dorf gebrandschatzt, die Bewohnerinnen und Bewohner erschlagen worden oder an Grippe verstorben. Mit ihnen das Wissen um Tontöpfe, schwarze Erde und den Sinn des Lebens.«
    Helen setzte sich auf, schlang ihre Arme um Leo und schüttelte ihn wie ein Birnbäumchen. »Eine schöne Geschichte, die du da erzählt hast. So romantisch.« Sie drückte ihm noch einen Kuss auf die Wange.
    »Ja, so oder so ähnlich muss es gewesen sein, jedenfalls hat man vor einigen Jahren bei Ausgrabungen etliche Kilometer ungewöhnlich fruchtbaren Bodens entdeckt, dessen weitere Besonderheit viele kleine Tonscherben waren.«
    »Wunderbar, aber als kleine kritische Anmerkung muss ich hinzufügen: Deine Defäkationsmetapher hinkt etwas. Genauso gut hättest du unsere Atmung zum Sinn des Lebens erklären können. Da hängen wir auch in Stickstoff-Sauerstoff-Kreisläufen drin. Aber reg dich nicht auf, ich hab die Quintessenz schon überrissen: Wir bieten etlichen Viren, Bakterien, Pilzen eine handfeste Lebensgrundlage und am Ende zerlegen uns Mikroorganismen zu neuem Leben. Ich gebe zu, ein schöner, befreiender Gedanke, der den Leistungs- und Erfolgsdruck aus unseren Biografien nimmt.«
    Leo streckte sich aus, zog Helen an sich heran und küsste sie brüderlich auf die Stirn. »Du musst ja nicht meiner Ansicht sein. Ich liebe dich trotzdem, kleine Scheißerin.«
    »Hey, wenn schon, dann ordentlich große Scheißerin. Aber jetzt wird es natürlich interessant: Wie kommt Liebe in

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