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Die wilde Gärtnerin - Roman

Die wilde Gärtnerin - Roman

Titel: Die wilde Gärtnerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milena-Verlag <Wien>
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monatelang vor Lärm widergehallt. Bei jeder gröberen Erschütterung, verursacht durch das Aufstemmen der Wände, durch Durchbrüche oder wenn Bauschutt lautstark aus dem 3. Stock durch einen Plastikschlauch in die Mulde vor dem Haus gekippt wurde, hatte Helen besorgniserregt an lärmempfindliche Anwohner gedacht. Und überall war Staub gewesen. Im Haus, im Garten, auf der Straße. Es schien, als wollte Helens Haus die gesamte Stadt mit einer Staubschicht überziehen. Er kroch durch jede Ritze, fand sich in Helens Unterwäsche, legte sich an ihre Haut, sammelte sich trotz Staubbrille in den Augenecken. Jede umgestoßene Ziegelmauer, jedes abgeschliffene Fenster, jeder gesandstrahlte Treppenabsatz existierte in Form von Staubpartikeln weiter. Nichts löste sich einfach in Luft auf. Wenn Helen nach einem Tag auf der Baustelle duschte, winkte sie dem schmutzigen Wasser nach, das im Abfluss gurgelte. »Auf Wiedersehen, liebes Fensterbrett aus dem 1. Stock. Leb wohl, Parkettboden aus Top Nummer 3. Arrivederci, Wand zwischen Küche und Vorzimmer.« Während ihrer Verabschiedung dachte sie, dass sie doch einen heftigeren Schlag von Ledas Erziehung abbekommen hatte, als ihr lieb war.
    Am sonnigen, westlichen Gartenrand, wo noch nichts gepflanzt war, stand Leo auf einem Stück kahler Erde. Er drehte sich um die eigene Achse, stoppte, schaute nach rechts, dann hinter sich, betrachtete den Sonnenstand, führte seinen Zeigefinger an die Lippen, überlegte. Helen beobachtete ihn von der Glastür aus.
    »Hier kommt unsere Humustoilette hin«, sagte er, als er sie bemerkte und zeigte mit beiden Händen senkrecht zu seinen Füßen.
    »Aha«, machte Helen.
    »Ich hab darüber nachgedacht. Wir werden unseren eigenen Humus produzieren.« Er kontrollierte noch mal Lichteinfall, Trockenheit des Bodens, Entfernung zum Haus. Helen kam auf ihn zu. Er merkte, dass sie keine Ahnung hatte, wovon er redete. »Erinnerst du dich nicht an Terra Preta? Die Fähigkeit des Menschen, schwarze Erde zu erzeugen?«
    »Doch.« Sicher konnte sie sich an den Nachmittag erinnern, überaus lebhaft sogar, selbst an seine wirre Erzählung von Tontöpfen im Amazonasbecken. Sie waren auf der Baumgartner Höhe auf einer Decke im Gras gelegen, unter den Kirschbäumen, die ihre schwarzen Äste, mit hellgrünen Blättern und weißen Blütenknospen überzogen, in das Blau des wolkenlosen Himmels streckten. Helen hielt ihre Augen geschlossen, die Sonne schien orange auf ihre Retina. Als sie wieder ins Blau sah, das links und rechts von Blüten eingefasst war, kam es ihr vor wie ein Bild, worin ein blasser Dreiviertel-Mond seinen nächtlichen Auftritt probte. Helen hob ihre Hand, streckte den Zeigefinger Richtung Mond, fast berührte sie ihn auf ihrem Bild.
    »Wunderschön, einfach nur wunderschön«, sagte sie. »Ich glaube, deshalb sind wir auf der Welt, um diese Schönheit zu sehen.« Leo unterdrückte ein stärkeres Ausschnauben, wenn ab und zu deutliche Hinterlassenschaften von Ledas Erziehung durch Helens sachliche Weltansicht sickerten. Als elegante Gegeninitiative beugte er sich dicht an Helens Schlüsselbein. Beinahe begann er zu schielen, so fest fokussierte er etwas auf ihr. »Nicht bewegen«, sagte er scharf. Mit einer raschen Handbewegung wischte er über ihre Haut. »Eine Zecke«, gab er zur Erklärung an. »Wir sind nämlich auch als Nahrung für Zecken auf der Welt.«
    Jetzt schnaufte Helen aus, weil es eine Frechheit war, sich ihrer romantischen Stimmung zu widersetzen.
    Trotz unterschiedlicher Befindlichkeiten wollte Leo diesen sensiblen Augenblick nicht ungenützt vorüberziehen lassen. »Apropos
wofür wir auf der Welt sind
. Hab ich dir schon die schöne Geschichte von Moiha erzählt? Die hab ich unlängst gehört und seitdem lässt sie mich nicht mehr los«, begann er. Helen drehte sich auf der Decke zur Seite, stützte ihren Kopf mit der Hand ab und wartete, was da kommen würde.
    »Es war einmal ein indigenes Volk tief in den Urwäldern des Amazonas«, begann Leo sein Märchen in launiger Stimmung. »Die sammelten, jagten, vergoren Wurzeln zu berauschenden Getränken und betrieben bescheidene Landwirtschaft. Jeden Abend setzten sich Bewohnerinnen und Bewohner des Dorfes um ein Lagerfeuer und teilten ihre Erlebnisse des vergangenen Tages mit. Ohne Vorwarnung warf Moiha – Heldin unserer Geschichte, zirka zwanzig, kinderlos und ohne höheren Schulabschluss – folgende Erkenntnis zwischen die Stimmen ihrer Mitmenschen: ›Wisst ihr, wir sind zu

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