Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Hrothrund geplant haben muß: Thak zu töten, sein Schiff zu entern,
aufs Meer hinauszusegeln und die Flotte zu begrüßen, unter der Flagge des alten
Thak; und dann auch Akthelt zu töten, wenn sich die Schiffe näher kamen. Dann
hätte Hrothrund das Kommando über die Flotte und würde ins Königreich Thak
segeln, Akthelts Schloß in seinen Besitz nehmen und seine zarte Frau Gunnel
entehren.
    All dies
schwirrt Akthelt durch den Kopf, während er heftig am Seil zerrt und Thaks
Körper an Bord zieht. Er denkt an das lange, scharfe Ding, das Hrothrund für
ihn im Sinn hatte, und an das dicke, stumpfe Ding, das er für Gunnel im Sinn
hat!
    Akthelt
beschmiert sich den Körper mit dem Blut seines Vaters, gibt Anweisung, an den
Hauptmast gebunden zu werden, und befiehlt seinen Männern, ihn mit den
tödlichen Pfeilen auszupeitschen, bis sich sein Blut mit dem seines Vaters
vermischt.
    »Geht es Euch
gut, mein Herr und Gebieter?« fragt Grimstad.
    »Bald werden
wir wieder bei der Burg sein«, sagt Akthelt mit seltsamer Stimme. Doch ihn
durchfährt ein merkwürdiger Gedanke; er überlegt sich, ob Gunnel Hrothrund
gemocht hätte.
    [441]  Am
frühen Morgen fand Colm Bogus schlafend über den Küchentisch gebeugt.
    »Wenn du mit
zur Mole kommst«, sagte Colm, »dann darf ich auch zur Mole gehen.« Also gingen
sie los, Trumper hatte Schwierigkeiten, einen Fuß vor den anderen zu setzen.
    Es war Flut;
draußen über den sich kräuselnden Wellen umkreisten Seemöwen eine große Menge
Seetang und Treibgut – dem Anschein nach die Überreste eines Ruderbootes.
Trumper dachte an den alten Thak, doch als er seinen Sohn ansah, wußte er, was
Colm dachte. »Lebt Moby Dick noch?« fragte Colm.
    Trumper dachte:
Warum eigentlich nicht? Ich kann dem Jungen keinen Gott oder einen verläßlichen
Vater zur Verfügung stellen, und wenn es etwas gibt, was es wert ist, daran zu
glauben, sollte es schon so groß wie ein Wal sein.
    »Ich glaube, er
wäre jetzt ziemlich alt«, überlegte Colm. »Sehr alt, oder?«
    »Er lebt«,
sagte Trumper. Gemeinsam sahen sie aufs Meer hinaus.
    Trumper
wünschte, er könnte Moby Dick für Colm herbeizaubern. Hätte er sich ein
Zauberkunststück aussuchen können, dann hätte er folgendes gewählt: das Wasser
in der Bucht anwachsen lassen, die umhersegelnden Möwen zu einer Kakophonie von
Schreien veranlassen, und dann den Großen Weißen Wal aus den Meerestiefen
auftauchen und aus dem Wasser springen lassen, wie eine Riesenforelle, so daß
sie beide von der Gischt naß gespritzt würden, während sie ehrfürchtig auf der
Mole standen und Moby Dick sich schwerfällig vor ihnen im Wasser wälzte – ihnen
seine Narben zeigte, die alten Harpunen und die anderen Geschosse (aber den
Anblick des zerschmetterten Ahab, der an die Flanke des großen Wals angekettet
war, würde er Colm ersparen); dann würden sie zusehen, wie sich der Wal
umdrehte und nach draußen ins offene Meer schwamm und sie mit der Erinnerung an
ihn zurückließ.
    [442]  »Lebt
er wirklich noch?« fragte Colm.
    »Ja, und alle
lassen ihn in Ruhe.«
    »Weiß ich«,
sagte Colm.
    »Aber kaum
jemand kriegt ihn zu sehen«, meinte Trumper.
    »Weiß ich.«
    Doch etwas
Wildes in Trumpers Kopf schrie: Zeig dich,
alter Moby Dick! Hoch heraus aus dem Wasser! Ein solches Wunder, das wußte er,
wäre für ihn selbst ein ebenso großes Geschenk gewesen wie für Colm.
    Es war Zeit zu
gehen. Am Auto versuchte er sogar, mit Biggie und Couth herumzualbern und
sprach davon, wie nett es gewesen sei, sie wiederzusehen, doch er wisse, er
störe sie nur. Er sprach ein wenig deutsch mit Biggie und spielte eine Partie
Schattenboxen mit Couth. Um sich mit einem netten Scherz zu verabschieden,
drückte er Biggie einen Kuß auf die Wange und tätschelte ihr den Hintern. »Du
hast ein bißchen zugenommen, Biggie«, scherzte er.
    Sie zögerte und
sah Couth an. Couth nickte, und Biggie sagte: »Ja, weißt du, ich bin schwanger.«
    »Schwanger!«
sagte Colm freudig. »Ja! Sie kriegt ein Baby, und ich werde ein Brüderchen oder
ein Schwesterchen bekommen…«
    »Oder
vielleicht beides«, meinte Couth, und alle lächelten.
    Bogus wußte
nicht, wohin mit seinen Händen, also streckte er Couth eine entgegen.
»Gratuliere, alter Junge«, sagte er mit Unterwasserstimme.
    Couth scharrte
mit den Füßen am Boden und sagte, er wolle mal eben nachsehen, ob das Auto auch
anspringe. Trumper umarmte Colm noch einmal, und Biggie sagte mit abgewandtem
Gesicht, jedoch mit einem Lächeln: »Sei