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Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Titel: Die wilde Geschichte vom Wassertrinker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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ihm gehört. Motzig
stand er in einer Ecke des Vorführraums und hielt ein Band in der Hand, wie
eine Diskusscheibe, die er Bogus am liebsten an den Kopf geworfen hätte. Kent
sah seine Tonmeisterkarriere von diesem Clown namens Thump-Thump gefährdet, der
in Ralphs riesigen Kleidern wie eine alte Spielzeugpuppe aussah. »Hol den
Koffer, Kent«, sagte Ralph.
    »Wohin bringst
du ihn?« fragte Kent.
    Und Trumper
dachte: Genau, wo geh ich eigentlich hin?
    »Zu Tulpen«,
sagte Ralph.
    Trumper kannte
dieses deutsche Wort und wußte, was es bedeutete. Er dachte: Das klingt
wirklich wie ein schöner Platz zum Schlafen.

[433]  35
    Der alte Thak wird fertiggemacht!
Biggie nimmt zu!
    Biggie und Couth waren rührend. Ohne große Worte stellten sie
in Colms Zimmer ein Bett für ihn auf. Colm ging gegen acht Uhr schlafen, und
Trumper legte sich auf das andere Bett und erzählte eine Geschichte, so lange,
bis Colm einschlief.
    Die
Gutenachtgeschichte war seine Version von Moby
Dick, was
zu diesem Haus am Meer gut zu passen schien. Colm hielt Wale für wundervolle
Tiere; also erzählte Trumper ihm die Geschichte von Moby Dick, so, daß der Wal
der Held war, Moby Dick der unbezwingbare König der Meere.
    »Wie groß ist
er?« wollte Colm wissen.
    »Na ja«, begann
Trumper, »wenn du im Wasser schwimmst und er schlägt mit seinem Schwanz nach
dir, ergeht’s dir schlechter als einer Fliege, die eins mit der Fliegenklatsche
überbekommt.« Eine lange Pause. Über seinem Bett stand das Goldfischglas, und
Colm besah sich den schmächtigen orangenen Fisch aus New York, der die Busfahrt
überlebt hatte.
    »Erzähl
weiter«, bat Colm.
    Und Trumper
erzählte und erzählte. »Jeder, der auch nur einen Funken Verstand im Hirn
hatte, ließ Moby Dick in Ruhe. All die anderen Walfänger wollten nur die anderen Wale
jagen. Aber nicht so Kapitän Ahab.«
    »Genau«, warf
Colm ein.
    »Einige der
Fänger waren verletzt worden, hatten beim Walfang einen Arm oder ein Bein
verloren, aber deswegen haßten sie die Wale nicht«, fuhr Trumper
fort. »Aber…« Er machte eine kleine Pause.
    [434]  »Aber
nicht so Kapitän Ahab!« rief Colm.
    »Genau«,
bestätigte Trumper. Es wurde immer deutlicher, daß Kapitän Ahab unrecht hatte.
    »Erzähl mir von
den ganzen Sachen, die sie in Moby Dick reingestochen haben«, verlangte Colm.
    »Meinst du die
Harpunen?«
    »Genau.«
    »Also, da gab
es alte Harpunen«, erzählte Trumper, »an denen noch die Seile hingen. Kurze
Harpunen und lange Harpunen, und ein paar Messer, und die ganzen anderen
Sachen, die die Männer in ihn reingestochen haben…«
    »Was denn?«
wollte Colm wissen.
    »Splitter?«
Trumper überlegte. »Klar, von den ganzen Booten, die er kaputtgemacht hatte,
hatte er sich auch ein paar Splitter gefangen. Und Rankenfußkrebse, weil er
schon so alt war; und überall hing der Seetang an ihm, und Schnecken. Er sah
aus wie eine Insel, er hatte so viel Zeugs an sich dran, daß er gar nicht mehr
weiß war.«
    »Aber nichts
davon hat ihn umgebracht, oder?«
    »Genau!«
bestätigte Trumper. »Sie hätten ihn in Ruhe lassen sollen.«
    » Ich würde ihn in Ruhe lassen«, meinte Colm. »Ich würde nicht mal versuchen, ihn zu
streicheln.«
    »Genau«,
murmelte Trumper. »Jeder, der klug ist, weiß das.«
    Und er wartete
auf den Refrain…
    »Aber nicht so
Kapitän Ahab«, sagte Colm.
    Man sollte
Geschichten immer so erzählen, daß die Zuhörer sich gut und klug vorkommen und
meinen, dem Erzähler stets um eine Nasenlänge voraus zu sein, das wußte
Trumper. »Erzähl die Geschichte mit dem Krähennest«, drängte Colm.
    »Hoch oben am
Großmast«, erzählte Trumper mit tiefer Stimme und dramatischen Gesten, »sah er
etwas, was wie zwei Wale aussah, ganz weit weg…«
    [435]  »Ismael«,
unterbrach Colm ihn eifrig. »Es war doch Ismael, oder?«
    »Genau«, sagte
Trumper. »Aber es waren nicht zwei Wale, es war nur ein Wal…«
    »Ein ganz
großer.«
    »Richtig«,
sagte Trumper. »Und als eine Fontäne in die Höhe spritzte, schrie Ismael…«
    »Dort bläst er!« schrie Colm, der nicht sehr
schläfrig wirkte.
    »Dann entdeckte
Ismael etwas Seltsames an diesem Wal.«
    »Er war weiß!«
sagte Colm erregt.
    »Genau«, sagte
Trumper. »Und er hatte ganz viele Sachen an sich hängen…«
    »Harpunen!«
    »Rankenfußkrebse,
Seetang und Vögel!« fuhr Trumper fort.
    »Vögel?« Colm war verblüfft.
    »Na ja, egal«,
wich Trumper aus. »Es war der allergrößte Wal, den Ismael je gesehen hatte, und
er war weiß, und

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