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Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Titel: Die wilde Geschichte vom Wassertrinker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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vorsichtig.« Zu Couth? Oder zu Bogus?
    »Ich bin gern
bei euch, so oft wie möglich«, sagte Trumper an alle gewandt und floh.

[443]  36
    Akthelt
wird von Zweifeln geplagt!
Trumper kommt schlitternd zum Stillstand!
    In Iowa fielen die Fäden heraus. Ein großes neues Loch war
jetzt in seinem Penis. Er fragte sich, ob Vigneron die Öffnung absichtlich so
groß gemacht hatte. Verglichen mit dem, was er gewohnt war, verfügte er jetzt
über einen Badewannenablauf.
    Er ging zu
einem Arzt, zu irgendeinem. Die studentische Krankenkasse übernahm keine
Besuche bei Fachärzten. Er hatte Angst vor der Diagnose; womöglich würde er mit
diesem Pimmel einen ehemaligen Tierarzt in Erstaunen versetzen.
    »Und Sie wurden
in New York operiert?«
    Doch der Arzt
war ein junger Südamerikaner; die Ausländer an der Uniklinik schienen immer mit
den bescheidensten Fällen betraut zu werden. Der junge Arzt war sehr
beeindruckt.
    »Das ist eine
ganz tolle Meatoplastik«, sagte er zu Bogus. »Wirklich, eine so saubere
Korrektur hab ich noch nie gesehen.«
    »Aber es ist so groß «, wandte Bogus ein.
    »Überhaupt
nicht. Es ist völlig normal.«
    Das
erschütterte ihn; jetzt wurde ihm klar, wie anormal er vorher gewesen sein
mußte.
    Dieser Arztbesuch war die einzige Abwechslung, die er in Iowa
hatte. Er lebte in seinem Kabäuschen in der Bibliothek mit Akthelt und Gunnel und schlief im
Gästezimmer in Dr. Holsters Souterrain. Er hatte darauf bestanden, durch die
Kellertür ein und aus zu gehen; Holster hätte ihn auch gerne die Haustür
benutzen lassen. Sonntags aß er immer mit Holster, seiner verheirateten [444]  Tochter und deren Familie zu
Mittag. Ansonsten ernährte er sich von Pizza, Bier, Bratwürsten und Kaffee.
    Ein Mädchen in
der Nachbarkabine war ebenfalls mit einer Übersetzung beschäftigt. Aus dem
Flämischen: »Ein religiöser Roman, der in Brügge spielt.« Gelegentlich warf
jeder von ihnen einen Blick in die Wörterbücher des anderen, und einmal lud sie
ihn zu sich zum Essen ein. »Ob du’s glaubst oder nicht, aber ich kann gut
kochen«, sagte sie.
    »Ich glaub’s
schon«, antwortete er. »Aber ich esse nicht mehr.«
    Er hätte nicht
einmal sagen können, wie sie aussah, und doch bestand zwischen ihnen eine Art
Bibliotheks-Wörterbuch-Freundschaft. Ansonsten hatte er keine Freunde. Er ging
nicht mal auf ein Bier zu Benny, weil der immer wieder mit dem Mythos ihrer
»alten Bande« kam. Statt dessen ging er jeden Abend in eine hellerleuchtete
Bar, die von den übriggebliebenen Kämpen einer Verbindung besucht wurde. Eines
Abends kam einer der besagten Kämpen auf Bogus zu und fragte ihn, wann er mal
wieder zu baden gedenke.
    »Wenn du mich
zusammenschlagen willst«, sagte Trumper, »tu dir keinen Zwang an.«
    Eine Woche
später kam der gleiche Typ wieder auf ihn zu. »Jetzt würd ich dich gern
zusammenschlagen.« Trumper erinnerte sich nicht mehr an ihn, tauchte geschickt
seitwärts ab, packte ihn bei den Beinen und hievte ihn wie eine Schubkarre in
die Jukebox. Die Freunde des Typen warfen Trumper aus der Bar. »Mein Gott«, sagte
Bogus ganz benommen. »Der war verrückt! Hat gesagt, er will mich
zusammenschlagen!« Doch es gab noch zwei Dutzend andere Bars in Iowa City, und
er trank sowieso nicht viel.
    Er arbeitete hartnäckig, ja verbissen an der Übersetzung. Er
übersetzte alles der Reihe nach, bis ans Ende, dann erinnerte er sich daran,
daß mitten drin noch eine ganze Menge Verse waren, die er [445]  frei erfunden hatte, und
noch ein paar andere, die er überhaupt nicht übersetzt hatte. Dann fiel ihm
ein, daß selbst einige seiner Fußnoten frei erfunden waren, und Teile des
Glossars auch.
    In seinem
Hinterkopf vernahm er eine schrille Stimme, die er schlicht und einfach Tulpen
nannte. Sie hatte es immer nur mit Tatsachen gehabt. Also fing er noch mal ganz
von vorn an und übersetzte die Ballade möglichst genau. Er schaute jedes Wort
nach, das er nicht kannte, und beriet sich mit Dr. Holster und dem Mädchen, das
Flämisch konnte, wegen der Wörter, die er nicht herausbekam. An jeder frei
übersetzten Stelle fügte er eine ehrliche Fußnote an, und er schrieb eine
platte, aufrichtige Einleitung, in der er erklärte, warum er das Werk nicht in
Versform wiedergab, sondern sich für eine Prosaübersetzung entschieden hatte.
»Die Originalverse sind scheußlich«, schrieb er, »und meine Verse wären noch schlimmer.«
    Holster war
zutiefst beeindruckt. Der einzige Streitpunkt war Holsters Bedingung,

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