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Die wilde Jagd - Roman

Die wilde Jagd - Roman

Titel: Die wilde Jagd - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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sind eine Menge Unwägbarkeiten.«
    Er wandte den Blick ab. »Trotzdem.«
    »Warum sollte sie dir noch Sorgen machen, sobald du zum Häuptling der Häuptlinge gekürt bist?«, fragte Ytha mit fester Stimme und griff nach der Zeltklappe. »Sie spielt keine Rolle mehr, Drwyn. Selbst wenn sie noch leben sollte, ist sie nicht mehr wichtig. Vergiss das nicht.«
    Gair schloss die Tür hinter sich und schaute sich in dem stickigen Raum um. Bücherregale bedeckten die Wände, die neben der Tür und unter den Fenstern aufgeräumt waren, doch ansonsten lag der Staub der Jahre auf ihnen. Weitere Bücher türmten sich auf dem rechteckigen Tisch in der Mitte des Raumes und auf dem Boden, sodass kaum genug Platz zum Herumgehen blieb.
    So viele Texte waren noch nicht bearbeitet, doch nach den vielen Stunden, die er die brüchigen Seiten umgeblättert hatte, erschien es immer unwahrscheinlicher, dass sie einen Hinweis auf den Ort der Sternensaat enthielten. Es war die seltsamste Büchersammlung, die er je gesehen hatte: Märchenbücher standen neben medizinischen Texten und philosophischen Traktaten, dazwischen befanden sich Landkarten, die schon seit Jahrhunderten veraltet waren, sowie Bedarfslisten von Quartiermeistern, die schon lange zu Staub geworden waren. Er und Alderan hatten keine wichtigen persönlichen Tagebücher oder Berichte gefunden, und kein einziges Dokument trug das Siegel der Suvaeoner.
    Was für eine staubige, enttäuschende und seltsam ergreifende Zeitverschwendung!
    Doch er schuldete Alderan wenigstens den Versuch, auch wenn ihm das Gewicht seines Versprechens wie ein Joch auf den Schultern lag. Er betrachtete wieder die übervollen Regale. Wenn es darin wirklich etwas zu finden gab, dann waren es die Trümmer vergangener Leben.
    Mit einem Seufzer kehrte er zu dem Bücherstapel zurück, den er durchgearbeitet hatte, als Resa am Morgen zu ihm gekommen war. Hoffnungsvoll zu reisen war besser, als anzukommen, wie das Sprichwort besagte. Dann erkannte er, woher es stammte, und fast hätte er laut gelacht. Sprüche, Kapitel achtzehn, Vers einundzwanzig. Es befanden sich so viele Stellen aus der heiligen Schrift in seinem Kopf, aber kein Glaube in seinem Herzen, der mehr aus ihnen machte als nur alte Weisheiten.
    Als der Himmel hinter den hohen Fenstern zum Purpur der Abenddämmerung geworden war und die Glocke zur Vesper rief, pochte es in Gairs Seite. Er rutschte auf seinem Stuhl hin und her und betastete den Verband unter seinem Hemd. Alderan war noch nicht von seinem rätselhaften Besorgungsgang zurückgekehrt, zu dem er aufgebrochen war, sobald er das Krankenzimmer verlassen hatte, und so hatte Gair den ganzen Nachmittag allein und ohne Erfolg weitergearbeitet. Zwei weitere Regale waren nun durchforstet; er hatte sich gemerkt, wo er begonnen hatte.
    Sein Magen knurrte und erinnerte ihn daran, dass er seit einer Fruchtpastete zum Frühstück noch nichts gegessen hatte. Außerdem war er durstig; seine Zunge fühlte sich an, als ob sie am Gaumen festgeklebt wäre. Er schaute auf seine staubdunklen Hände und zog eine Grimasse. Bevor er irgendetwas anderes tat, musste er sich waschen.
    Nachdem er sich in seinem Zimmer gesäubert hatte, begab er sich wieder nach unten in die Gästehalle. Seit seiner und Alderans Ankunft war sie gefegt und die Möbel abgestaubt worden; im Kamin lagen Holzscheite und Fidibusse, und die Kohlenschütte war gefüllt. Der Tisch war gedeckt, und in abgedeckten Schüsseln fand er Brathähnchen in Soße und kaltes gekochtes Getreide mit klein gehacktem Gemüse. In einer weiteren Schüssel entdeckte er dicke frische Datteln.
    Gair füllte sich einen Teller und setzte sich. Kaum fünf Minuten nachdem die Glocken das Ende des abendlichen Gottesdienstes verkündet hatten, wurde die Tür so heftig aufgeworfen, dass sie von der Wand abprallte. Er hob den Blick, hatte Alderan erwartet, aber die beeindruckende Gestalt, die nun eintrat, war eindeutig jemand anders.
    Die Superiorin war nicht groß, vor allem nicht im Vergleich zu Gair, aber ihre bloße Gegenwart überragte trotzdem alles andere. Sie war eine angenehm gerundete bäuerliche Schönheit, die eigentlich mit hochgerollten Ärmeln in eine Küche gehörte, und trug ein grobes schwarzes Habit, über dem ein gestärkter weißer Schleier wie Schnee auf einem Berg des Zorns lag. Gleich einem Racheengel stürmte sie durch die Halle auf Gair zu.
    »Die Gästehalle war aus einem ganz bestimmten Grund geschlossen«, brüllte sie. In ihren blassblauen

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