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Die wilde Jagd - Roman

Die wilde Jagd - Roman

Titel: Die wilde Jagd - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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viele Feste, wie er konnte, doch solange er die Gastfreundschaft der Burg genoss, musste er aus taktischen Gründen an dem einen oder anderen teilnehmen.
    Diese in der Halle herumtorkelnden Bären mit ihren unglaublichen Bärten waren Renngalds Vasallen. Ihrem Herrn zufolge waren sie allesamt gute Krieger, und tatsächlich waren ihre Äxte schartig vom fleißigen Gebrauch, und ihre Schilde waren stark eingekerbt, doch soweit Savin es beurteilen konnte, waren sie allesamt Säufer und Wüstlinge. Jede Dienstmagd, die ihnen zu nahe kam, konnte vor den Augen der ganzen Halle auf einen steil aufrecht stehenden Schwanz gezogen werden, während die anderen Männer zur Anfeuerung brüllten oder im Takt mit den Fäusten auf die Tische hieben.
    Und sie waren auch äußerst fruchtbar. Die Burg war voll von ihren Bastarden, die in Scharen herumliefen, gegeneinander kämpften, sich anbrüllten und heulten. Savin konnte sie nie lange ertragen, sondern zog sich nach kurzer Zeit immer wieder in seine Turmstube zurück, zu der Renngald dankenswerterweise allen außer den Dienstboten den Zutritt verboten hatte, und überdies hatte er die Wände mit einem Schutzzauber gegen Lärm versehen. Savin war den Freuden des Fleisches keineswegs abgeneigt – auch dafür war ein geschützter Raum sehr nützlich –, aber wenigstens besaß er den Anstand, diese Freuden in Abgeschiedenheit zu genießen.
    Ein Diener rammte einen schäumenden Bierhumpen vor ihm auf die Tischplatte und verschwand wieder. Der scharfe Hopfengeruch verursachte ihm leichte Übelkeit. Inzwischen war der Lärm so störend, dass Savin kaum mehr denken konnte, und noch immer kreisten Brot und Bier. Ein von unten hochdringendes Rascheln verriet ihm, dass sich auch die Burghunde vollfraßen und den Boden nach Resten absuchten. Wie lange dauerte dieses Fest denn noch?
    Renngald beugte sich über die Armlehne seines Throns und blinzelte Savin an. »Du trinkst nicht.« Ein wissendes Glitzern erschien in seinen Augen, das Savin verriet, dass er vielleicht nicht ganz so betrunken war, wie er tat, und er grinste. »Vielleicht bevorzugst du etwas Süßeres als Bier?«
    Der Herr der Nordmänner trommelte auf den Tisch, bis er sich über all dem Lärm Gehör verschafft hatte. »Holt die Mädchen«, lachte er. »Zeit für den Nachtisch!«
    Diese Ankündigung wurde mit Jubelrufen und breitem Grinsen auf den bärtigen Gesichtern begrüßt. Randvolle Bierhörner wurden erhoben, und Schaum lief an fleischigen Armen herunter. Savin rutschte auf seinem Stuhl hin und her und fragte sich, welche Verworfenheiten er als Nächstes würde beobachten dürfen.
    Die Türen am hinteren Ende der Halle wurden geöffnet, und eine Musikantengruppe trat ein. Die Vasallen wurden ein wenig leiser, und bald war die Luft erfüllt von Flötenweisen und rhythmischen Trommelschlägen. Kurz darauf stürzte ein Dutzend Akrobaten in die Halle und machte Handstände unter dem anerkennenden Gejohle der Männer.
    Es waren allesamt Frauen, schlank und geschmeidig wie Wiesel, und jede Einzelne von ihnen trug nichts anderes auf der Haut als Farbe. Savin blinzelte. Bemalt mit grünen Blättern, wirbelndem blauen Wasser und gelb oder orangefarben züngelnden Flammen, drehten sie sich und huschten wie Elementargeister um die voll besetzten Tische. Jedes Mädchen hatte die Haare zu zahllosen winzigen Zöpfen geflochten, in denen Perlen oder flatternde Federn steckten, und ihre Nägel waren lang und lackiert, wodurch ihre Finger wie Vogelkrallen aussahen.
    »Außerordentlich«, keuchte Savin.
    Renngald beugte sich wieder über die Armlehne. Erneut saß seine Krone schief, als er Savin einen wissenden Blick schenkte. »Siehst du? Wir sind nicht ganz unzivilisiert, mein Freund.«
    »Wer ist das?«, fragte Savin, der von diesen unheimlichen Kreaturen bezaubert war. Sogar ihre Bewegungen waren vogelartig. Unvermittelt erstarrten sie, regten sich wieder und beobachteten ihre Zuschauer mit geneigten Köpfen und aus glänzenden dunklen Augen.
    » Inikuri . Geistertänzerinnen von den Inseln hinter Aarisch. Sie sprechen nicht – oder zumindest haben sie keine Sprache, die wir verstehen können –, aber sie lieben den Tanz.« Sein Gastgeber nahm wieder eine bequemere Position ein. »Und noch einiges andere.«
    Die Geistertänzerinnen wirbelten und sprangen durch die Halle. Immer wenn sie an den Feuergruben vorbeikamen, spuckten sie etwas in die Flammen, die daraufhin mit einem durchdringenden, beinahe harzigen Geruch brannten.

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