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Die wilden Jahre

Die wilden Jahre

Titel: Die wilden Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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fing und begriff, daß sie den Mann und keine Schokolade wollte.
    Felix wütete gegen die Frau und gegen sich. Er litt, weil ihm die Frau gefiel. Er zitterte vor dem Verlangen; und er sagte sich im Hin und Her, im Auf und Ab, wieder und noch, daß es gleich sei, ob seine Lust einer Araberin, einer Japanerin, einer Italienerin oder einer Deutschen gelte.
    Einer Deutschen …
    Das Wort machte sich breit, wälzte sich durch seinen Kopf, setzte sich auf seinen Haß und lächelte spöttisch.
    Felix richtete sich auf.
    »Was hast du?« fragte die Frau flüsternd.
    »Ich muß dir etwas sagen.«
    »Komm«, erwiderte sie und legte ihre Arme um seinen Nacken, zog ihn an sich.
    »Ich bin Jude«, sagte er.
    Sie lächelte und schüttelte den Kopf. Dann horchte sie. Nebenan weinte das Kind.
    »Verstehst du nicht?« Seine Hände griffen nach ihren Schultern. »Ich bin Jude – ein Jude! Ihr habt meinen Vater ermordet …« Er atmete in keuchenden Stößen. »Und habt vergessen, auch mich zu … zu …«
    »Komm!« sagte sie leise, weich.
    »Das ist Rassenschande!« schrie er sie an.
    Es waren nicht seine Worte, es war sein Gesicht, das sie so fürchtete. Felix nahm es fälschlich als eine Bestätigung, und er war ihr dankbar dafür.
    Als er sich anzog, stieß er Unflätigkeiten aus. Sie befreiten ihn von der Scham über seinen Verrat, gaben ihm den Haß zurück, nahmen ihm die Lust an wütender Zärtlichkeit mit dieser Frau und die Enttäuschung darüber, daß sie sich ihm gegeben hatte, ohne daß er sie kaufen mußte – daß er kein Geschäft getätigt, sondern ein Geschenk erhalten hatte. Morgen wollte er es mit einer Kiste Lebensmittel zurückweisen.
    Er kam nicht mehr dazu.
    Als Felix die Tür zugeschlagen hatte und mit dem Jeep losgerast war, um die Sehnsucht nach dem warmen, weichen Körper, den er verlassen hatte, im Alkohol zu ertränken, rasselte der Alarm: durch einen Zufall war die Eisenbahnbrücke von Remagen nicht gesprengt worden, was die US-Soldaten die Ruhepause am Rhein kostete; sie fielen stürmisch nach Germany ein, unter ihnen Captain Lessing, der endlich mit dem Mörder seines Vaters abrechnen konnte.

VI
    Schon bevor die amerikanischen Panzertruppen den Main erreichten, hatten sich der Wehrwirtschaftsführer und Reichstagsabgeordnete Friedrich Wilhelm Ritt in ein kleines Jagdhaus im Taunus zurückgezogen, das von ihm heimlich und vorsorglich erworben worden war, da er auf eine Flucht in die angebliche Festung Alpenland verzichten wollte: Ritt sagte sich richtig, daß die Alliierten, so sie Frankfurt nähmen, in kurzer Zeit auch Oberbayern überrollen würden.
    Er hatte sein Versteck mit Behaglichkeit ausgestattet, soweit ihr die Umstände nicht Grenzen zogen; hier wollte der alte Ritt die Wirren des Zusammenbruchs überleben.
    Er wußte nicht, daß er gleich beim Einmarsch von einem Kameraden gemeldet worden war, der kein schützendes Schlupfnest hatte und ins Lager mußte. So wurde Ritt schon ein paar Tage später von einem Jeep überrascht, der den Waldweg entlangrollte und vor dem Jagdhaus hielt. Drei GIs umstellten es mit der Waffe im Anschlag; der vierte hämmerte mit dem Gewehrkolben gegen die Holztür.
    Mit zitternden, erhobenen Händen und einem Gesicht, das von Angst verzerrt war, trat der Hausherr aus der Tür.
    Die US-Streife fand bei der Durchsuchung des Blockhauses ein üppiges Lebensmittellager, abenteuerliche Zivilkleidung, falsche Ausweispapiere und einen vorbildlichen Weinkeller, über den die Soldaten herfielen, weshalb sie vermutlich ein Bündel mit Dokumenten übersahen, die Ritt zu einer neuen Zukunft im Ausland verhelfen sollten: diese Papiere wären nicht nur ein Braunbuch seiner Vergangenheit gewesen, sie hätten auch dem Alliierten Militärtribunal Aufschlüsse über Untaten abzuurteilender Verbrecher geben können.
    Die GIs sahen in dem Verhafteten mehr einen schwächlichen Sonderling als einen gefährlichen Nazi. Sie schafften ihn mit anderen Gefolgsleuten des Führers, die von allen Seiten zusammengekarrt wurden, in ein Internierungslager. Die Elite von gestern bezog morsche, verschmutzte Baracken, die sie zuvor für russische Kriegsgefangene hatte errichten lassen, woran sie nicht dachte, als sie sich über die unwürdige Unterkunft beschwerte.
    Diese Gefolgsleute des Führers erwiesen sich nicht mehr als seine alte Garde, die durch Nacht zum Licht marschierte, sondern als eine Horde verwirrter, mißtrauischer oder weinerlicher Männer, die zuviel voneinander wußten und

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