Die Wilden Küken - Auf der Alm (German Edition)
voll leer getrunkener Bierkrüge. Sie wies mit dem Kinn auf die Fotos an den Wänden. »Viele von denen sind abgestürzt und schon lange tot.«
Lilli bemerkte, dass auch das Bild des lachenden Bergsteigers mit einem schwarzen Trauerflor versehen war.
Vroni führte Lilli zurück in die Gaststube.
Kurz darauf half Vroni Giulia und den
Wilden Küken,
ihr Gepäck zur Plattform der Talstation zu tragen, und wartete dort mit ihnen auf das Eintreffen der Materialseilbahn. Der Motor lief und das Seil vibrierte, während die Transportkiste langsam abwärtsschwebte. Lilli ließ ihren Blick über das satte Grün der Almwiesen schweifen. Im Westen berührte die Sonne bereits den schattigen Bergkamm, aber die hohen Schneegipfel im Osten erstrahlten noch immer in gleißendem Licht. Die schrägen Strahlen der Abendsonne glänzten auf Vronis Zöpfen und verliehen ihren braunen Augen einen warmen Schimmer.
»Die Schönheit der Berge!«, hauchte Bob fast andächtig.
Erst dachte Lilli, Bob hätte Vroni gemeint, aber als sie sich nach Bob umdrehte, richtete die ihre Sofortbildkamera auf das beeindruckende Gipfelpanorama. Während Bob das Foto samt Kamera in ihrem Rucksack verstaute, stoppte Vroni die Seilbahn. In der schwankenden Transportkiste rumpelten Milchkannen aneinander.
»Die kommen von der Hadersdorfer-Alm.« Vroni hievte die Kannen von der Ladefläche und Giulia und die
Wilden Küken
wuchteten sie auf einen für diesen Zweck bereitstehenden Handwagen.
Vroni beschattete ihr Gesicht mit der flachen Hand. »Könnt ihr eigentlich melken?«
Alle schüttelten den Kopf.
»Na, dann stellt ihr euch hoffentlich geschickter dabei an als die Jungs!« Vroni hob eins der Gepäckstücke der
Wilden Küken
in die Transportkiste der Seilbahn. »Seit der Alois im Krankenhaus ist, muss andauernd einer von uns aushelfen!«
Giulia und die
Wilden Küken
luden den Rollkoffer sowie die restlichen Rucksäcke und Taschen in die Materialseilbahn und Vroni setzte sie wieder in Gang. »Oben stoppt sie automatisch!« Mit dem ausgestreckten Arm zeichnete Vroni den Weg nach, der hinter dem Staigerhof begann und sich dann in den bewaldeten Höhen verlor. »Ihr folgt dem Weg bis zur Bergstation der Seilbahn! Und von dort seht ihr die Alm dann schon.« Den Handwagen mit den Milchkannen hinter sich herziehend, verabschiedete sich Vroni. »Aber beeilt euch! In den Bergen wird es schnell dunkel!«
Das erste Stück war breit und leicht zu bewältigen, aber als sich der schmaler werdende Pfad zwischen den knorrigen Bäumen immer steiler bergauf schlängelte, gerieten die Wanderer ganz schön aus der Puste.
Nach einer guten Viertelstunde begegneten sie einer Frau, die auf dem Weg ins Tal war. Sie unterhielten sich kurz mit ihr und es stellte sich heraus, dass es sich um Vronis Mutter handelte, die oben auf der Hadersdorfer-Alm beim Melken geholfen hatte. Lilli überlegte. Die Frau sprach reines Hochdeutsch und stammte trotz ihrer Trachtenkleidung eindeutig nicht von hier. Ihr Mann, der Staiger Sepp, und Vroni hatten sich vorhin zwar auch bemüht, hochdeutsch zu sprechen, aber man hatte ihren Dialekt bei jedem Wort herausgehört. Frau Staiger wirkte abgearbeitet und ein wenig ungeduldig. »Ich konnte auch nicht melken, als ich aus der Großstadt hierherkam. Man muss sich nur ein bisschen Mühe geben.« Sie schüttelte müde den Kopf. »Ihr lernt das schon. Strengt euch an! Ich kann nicht jeden Tag da rauf, ich hab Arbeit genug.« Sie lächelte matt, bot aber auch weiterhin ihre Hilfe an, bevor sie sich verabschiedete.
Erschöpft erreichte die Wandergruppe die Bergstation der Lastenseilbahn, wo ihr Gepäck in der Lastenkiste bereits auf sie wartete. Lilli und ihre Freundinnen schulterten ihre Rucksäcke und griffen sich die Schlafsäcke und Reisetaschen. Ächzend zerrte Giulia ihren Rollkoffer hinter sich her.
Weiter bergaufwärts entdeckte Lilli drei dicht aneinandergedrängte Gebäude zwischen den Felsbrocken. Das musste sie sein, die Hadersdorfer-Alm.
Der Weg stieg immer steiler an und das Gepäck schien mit jedem Schritt schwerer zu werden. Tapfer quälte sich die vor Anstrengung keuchende Karawane bergauf. Lilli spürte, wie sich ihre Waden bei jedem Schritt verhärteten. Rascher als vermutet versank die Sonne hinter dem Bergkamm und mit ihr erlosch auch das warme Licht. Nur die obersten Spitzen der schneebedeckten Gipfel leuchteten noch in zartem Rosa. Unwillkürlich musste Lilli an das Baby denken, und gleichzeitig fiel ihr ein, dass sie ja
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