Die Wilden Küken - Auf der Alm (German Edition)
ging es steil aufwärts. In engen Haarnadelkurven quälte sich der Bus die immer schmaler werdende Straße hinauf und hielt schließlich vor einem stattlichen Berghof.
Um der alten Frau nicht mehr zu begegnen, rafften die
Wilden Küken
ihr Gepäck zusammen und stiegen eilig aus.
»Da ist Gelatinos Auto!« Enya zeigte auf den giraffengefleckten Kleinbus am anderen Ende des Parkplatzes.
Abgesehen von seinen steinernen Grundmauern, war das ganze Gebäude aus Holz errichtet. Üppig blühende Blumenkästen zierten Fenster und Balkone und hinter den Scheiben hingen rot-weiß karierte Vorhänge. Im Vorgarten saßen Touristen auf Bierbänken, es roch nach Pommes frites.
»Hier können wir es aushalten, was, Mädels?« Sichtlich angetan betrachtete Giulia den von der tief stehenden Sonne in rosiges Licht getauchten Berghof.
Sie schulterte den Notebook-Rucksack und zog ihren Rollkoffer auf die breite Holztür zu, neben der zwei kleine, mit bunten Bändern geschmückte Birken aus halbierten Holzfässern ragten.
Ein Gesicht erschien in einem der unteren Fenster und kurz darauf eilte ihnen ein Mädchen im Dirndl entgegen. Bei jedem Schritt wippten ihre fest geflochtenen blonden Zöpfe. »Meine Eltern kommen gleich!«, sagte sie kehlig und machte einen Knicks. »Herzlich willkommen auf dem Staigerhof! Ich bin die Vroni!«
»Staigerhof?«, fragte Giulia. »Ist das nicht die Hadersdorfer-Alm?«
Vroni schüttelte ihre Zöpfe und lachte. »Aha, dann seid ihr also die Helfer für den Hadersdorfer Schorschi!«
»Helfer?«, schnaubte Giulia. »Da hat Gelatino sich aber geschnitten.«
»Gelatino?«, fragte Vroni verwirrt nach.
»Ich meine natürlich den …«, Giulia ahmte Vronis dialektgefärbten Tonfall nach, »Hadersdorfer Schorschi!«
Scheinbar grundlos rannte das Mädchen plötzlich davon. »He, zum tausendsten Mal: Das ist verboten!«
Lilli folgte ihr und erkannte, was verboten war.
Die alte Frau aus dem Bus erklomm gerade die Plattform einer kleinen Liftstation. Sie warf ihren Rucksack und den Wurzelstab auf die Ladefläche der Materialseilbahn. Trotz der Warnrufe drückte sie im Innern des Holzhäuschens, das an einer Seite offen war, auf einen dicken roten Knopf. Knirschend setzte sich die Seilbahn in Bewegung. Mit erstaunlicher Geschicklichkeit hopste die Frau rücklings auf die Ladefläche und schwebte über die Bergwiese hinweg nach oben.
»Die Seilbahn ist nur für Lasten erlaubt!«, sagte Vroni zu Lilli und wandte sich dann an einen Mann, der mit federnden Schritten auf die Gruppe zusteuerte. »Papa, das sind die Leute vom Hadersdorfer!«
Der braun gebrannte Vater des Mädchens lächelte freundlich und begrüßte Giulia und die
Wilden Küken
mit Handschlag. »Ich bin der Staiger Sepp!« Er wies hinter sich auf das Haus. »Vom Staigerhof!« Aufmunternd klatschte er in die Hände. »Mögt ihr eine Buttermilch, bevor ihr euch an den Aufstieg macht?«
Herr Staiger führte die Reisegruppe in die Gaststube des Staigerhofs, stellte kurz darauf fünf Gläser mit Buttermilch auf den Tisch und bat seine Tochter: »Wenn die Mama heimkommt, sagst ihr, ich bin nach Hochdorf runter. Heute ist doch die Versammlung im Fremdenverkehrsamt!« Er griff sich ein Handy und eine Aktenmappe vom Tresen und ging.
»Mm, lecker!« Bob leckte sich ihren Buttermilchbart von der Oberlippe.
»Ist es noch weit zur Hadersdorfer-Alm?«, fragte Giulia.
Vroni, die hinter dem Tresen stand und Zuckerstreuer auffüllte, schüttelte den Kopf. »Eine gute halbe Stunde.«
»Ich muss mal aufs Klo.« Lilli rutschte vom Stuhl, orientierte sich kurz und folgte dann dem Hinweisschild zu den Toiletten. Auf dem Rückweg bog sie eine Tür zu früh ab und landete nicht in der Gaststube, sondern in einem kleinen Nebenzimmer. Fasziniert drehte Lilli sich einmal um die eigene Achse. An den holzgetäfelten Wänden der Stube hingen alte Fotos und ein buntes Sammelsurium antiquarischer Bergsteigerutensilien. Es gab die verschiedensten Pickel, Seile und Karabinerhaken, veraltete Skistecken aus Bambus, Schneeschuhe und zerschlissene Rucksäcke mit brüchigen Lederriemen.
Lilli kniete sich auf die Eckbank und betrachtete einige der gerahmten Fotos aus der Nähe. Besonders ein Schwarz-Weiß-Foto erregte ihre Aufmerksamkeit. Es zeigte einen jungen Mann neben einem Gipfelkreuz. Er lachte offen in die Kamera und seine welligen Haare hingen ihm lustig in die Stirn.
»Papas Bergmuseum«, sagte eine Stimme.
Lilli fuhr herum.
In der Tür stand Vroni mit einem Tablett
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