Die Wilden Küken - Auf der Alm (German Edition)
so überrascht von dem dünnen Strahl Milch, dass sie neben den Eimer traf. Mit jedem Streichen und Drücken klappte es besser. Aber es wurde auch mit jedem Mal anstrengender. Lilli betrachtete die Milch in dem Eimerchen, tätschelte der Ziege den Rücken und gab ihr spontan einen Namen. »Brave Milli!«
Milli leckte über Lillis Arm. Ihre Zunge fühlte sich rau und weich zugleich an, warm und feucht. Lilli verzog das Gesicht.
»Lilli und Milli!«, lachte Vroni. »Da haben sich ja zwei gefunden!«
Unter Vronis Anleitung molk Bob Kunigunde und Enya Zenzi.
Very hatte das Melken ebenfalls raus, aber bei jedem Griff um die Zitzen von Ambrosia rümpfte sie die Nase. »Äh, ist das warm und so komisch und puh … Also ich weiß nicht, ob ich dafür geeignet bin!« Aber sie war geeignet, denn ihr Eimer füllte sich deutlich schneller als der von Bob oder Enya. Wahrscheinlich, weil Ambrosia ihr immer wieder mit ihrem Kuhschwanz im Gesicht herumwedelte und Very es möglichst schnell hinter sich bringen wollte.
Neugierig kamen auch die Jungs allmählich näher.
»Kann ich mal probieren?«, fragte Erik.
Vroni winkte Erik zu sich und Walli und rückte auf dem hölzernen Melkschemel ein Stück zur Seite. »Gib mir deine Hand!«
Erik quetschte sich dicht neben Vroni auf den Schemel und streckte den Arm aus.
Enya beugte sich tief über ihren Melkeimer. Sie spähte unter Zenzi durch und beobachtete, wie Erik und Vroni Schulter an Schulter anfingen, Walli zu melken.
Etwas zu geräuschvoll stellte Enya ihren Eimer ab. Milch schwappte über den Rand. »Ich hol die Kannen!«
Nachdenklich folgte Lilli ihrer davoneilenden Freundin hinaus ins Freie.
An der Stallwand befand sich ein Gestell, in dem kopfüber leere Milchkannen hingen. Enya aber machte keinerlei Anstalten, eine der Kannen aus der Halterung zu heben.
»Was hast du denn auf einmal?«, fragte Lilli. »Bist du etwa eifersüchtig auf Vroni?«
»Quatsch!« Enyas Augen schimmerten noch dunkler als sonst. »Ich bin nur so beeindruckt. Die Tiere hier und die Berge …«
»Da ist nichts zwischen den beiden.« Lilli nahm eine Kanne aus der Halterung. »Hey, das ist doch lächerlich, sie kennen sich kaum und Vroni …« Lilli berührte Enyas Schulter. »Vielleicht hat die sogar einen Freund. So wie Heidi den Geißenpeter!« Sie lachte.
»Seht ihr das Gipfelkreuz auf dem Berg da?« Vronis Stimme ertönte hinter Lilli und Enya. Sie streckte den Arm aus. »Das ist unser Hausberg.«
»Wie, Hausberg?«, fragte Lilli.
»Unser Berg eben«, erklärte Vroni. »Sozusagen der Berg vor unserer Haustür. Wenn ihr wollt, führe ich euch morgen gern zum Gipfel!«
»Mit dir als Bergführerin jederzeit!« Erik kam aus dem Stall und reichte Vroni seinen Melkeimer. Die anderen Jungs kamen ebenfalls näher.
»Es gibt drei Wanderrouten.« Vroni wies auf den Hausberg. »Eine einfache, eine mittelschwere und eine schwierige!«
»Da nehmen wir doch die schwierige!« Abenteuerlustig boxte sich Erik mit der Faust in die flache Hand.
»Lieber die einfache!«, sagte Ole und schaute Lilli fragend an.
Lilli dachte an den Auf- und Abstieg zum Staigerhof und nickte. »Der Olmboss hat recht. Wir sind alle ziemlich unerfahrene Wanderer.«
»Der Olmboss ist ein Feigling!«, frotzelte Erik.
Mitch und Little starrten ihn an wie einen Geist.
»Sag das noch mal!«, zischte Ole.
»War doch nur Spaß!« Erik wandte sich lächelnd zu Vroni. »Wir nehmen die Route, die unsere Bergführerin für die beste hält!«
Vroni überlegte. »Vormittags muss ich im Staigerhof beim Frühstück für die Pensionsgäste helfen, aber am Nachmittag könnte ich euch auf den Hausberg führen! Allerdings nur …«, über ihr Gesicht huschte ein pfiffiges Lächeln, »… wenn jetzt wirklich alle mithelfen, die restlichen Kühe und Ziegen zu melken!« Vroni hielt Ole die Hand hin.
»Abgemacht!« Ole schlug ein. Und tatsächlich packten jetzt auch er, Little und Mitch mit an. Vroni war eine gute Lehrerin und gemeinsam kamen die Bandenkids mit dem Melken gut voran. Niemand grölte mehr etwas von Kuhbusen, niemand prustete spöttisch und niemand lief rot an. Vroni, die
Grotten
olme
und die
Wilden Küken
molken und molken, dabei redeten sie über das Leben auf der Alm im Allgemeinen und über Milchvieh im Besonderen – und zwar so friedlich und einvernehmlich, dass man hätte meinen können, Melken wirke sich beruhigend aufs Gemüt aus.
Lilli warf Enya einen Blick zu, aber auch sie schien sich wieder gefangen zu haben.
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