Die Wilden Küken - Auf der Alm (German Edition)
Rücken an Rücken hockten sie und Erik zwischen zwei Ziegen und summten melkend die gleiche Melodie vor sich hin.
Als sie sich gerade wieder ihrer Arbeit zuwenden wollte, entdeckte Lilli Giulia, die frisch geduscht, geföhnt und geschminkt mit ihrem Rucksack über einer Schulter in der Stalltür stand und sie wohl schon länger beobachtete. »Melken als Konfliktmanagement«, murmelte Giulia und klopfte auf ihren Rucksack. »Zum Glück ist mein Notebook wieder aufgeladen!«
Sie machte auf dem Absatz kehrt und lief ins Haus.
Beide Banden schafften zusammen mit Vroni die vollen Milchkannen hinunter zur Lastenseilbahn. Vroni drückte den roten Knopf, setzte sich rasch zwischen die Kannen und schon schwebte sie nach unten.
»Ich dachte, das ist verboten!«, rief Lilli.
»Ist es auch!« Vroni kicherte und die Kannen klirrten. »Bis morgen Nachmittag dann!«
Olme
und
Küken
winkten, bis Vroni zwischen den Baumwipfeln verschwunden war.
Nach einem, dank der neuen Vorräte, sehr üppigen Abendessen verzog Giulia sich schnell in ihre Kammer. Die
Wilden Küken
und die
Grottenolme
putzten sich am Brunnen die Zähne und stiegen anschließend auf ihren Dachboden hinauf. Lilli hatte sich das Fernglas der Jungs ausgeliehen und kniete sich damit vors Giebelfenster.
Die Jungs schliefen bereits tief und fest. Gleichmäßig drang ein Schnarchen durch die Bretterwand. Very lugte um die Ecke. »Da zählt jemand die Schäfchen auf seinem Schlafanzug.« Sie gluckste leise in sich hinein.
»Felsmassiv im Abendrot«, murmelte Bob und betrachtete das Foto, das sie kurz vor dem Essen noch geknipst hatte, im Licht ihrer Taschenlampe. Sie holte ihr Reisetagebuch hervor und schraubte den Klebestift auf. »
Mamma mia
, sind die Berge schön!«, seufzte sie und presste das Foto aufs Papier. »Am liebsten würde ich sie einpacken und mit nach Hause nehmen!«
Very zeigte lachend auf das Foto. »Genau das tust du doch!«
Lilli drehte am Einstellrad und das Bild im Fernglas wurde langsam scharf. »Ich kann das Gipfelkreuz vom Hausberg sehen!«
Bob und Very rückten neben sie und lugten ebenfalls durch das Fernglas.
Nur Enya lag schon eingemummelt in ihrem Schlafsack und starrte die Bretterwand an. »Ich muss die ganze Zeit an heute Nachmittag denken.«
»Wegen Erik und Vroni?«, fragte Very.
Enya nickte und ihre Haare raschelten auf ihrem Schlafsack. »Ich finde Vroni total nett.«
Lilli glaubte fast, sich verhört zu haben.
»Und das macht es noch schlimmer«, sagte Enya. »Mir wäre es viel lieber, wenn sie eine doofe Kuh wäre! Mit Schielaugen.«
»Ich glaube, Erik findet Vroni einfach genauso nett, wie es die andern Jungs tun. Und wie wir auch,
basta
!«, sagte Bob.
»Ich glaube aber, er findet sie noch ein bisschen netter!«, nuschelte Enya.
»Woher willst du das denn wissen?«, fragte Lilli.
»Weil ich ihn so gernhabe!?«, sagte Enya fast unhörbar und ihre Antwort klang dabei fast wie eine Frage.
Am nächsten Morgen wachte Lilli auf, weil ihr von der Stube herauf ein so appetitlicher Duft in die Nase stieg. Ihr lief das Wasser im Munde zusammen, während sie sich noch die Augen rieb. Vor dem Giebelfenster herrschte strahlender Sonnenschein und der Hausberggipfel schien in der glasklaren Luft zum Greifen nah.
Lilli zog sich an und lief nach unten.
Very stand zusammen mit Bob am Küchenofen. »Ich kann jetzt sogar Kräuteromelett machen!« Very zeigte auf Enyas Teller, der schon fast leer gegessen war. »Mit Käse und Röstzwiebeln!« Very hob die Pfanne hoch. Aus dem Loch der Kochstelle züngelte eine gelbe Flamme. Wie eine Fernsehköchin schüttelte Very das Omelett in der Pfanne hin und her und ließ es dann stolz auf Lillis Teller gleiten.
Gelatino goss Giulia Kaffee nach. »Soll’n wir zwei Hübschen nachher vielleicht nach Hochdorf fahr’n?«
»Ich muss arbeiten!« Giulia verschwand kurz in ihrer Kammer, um gleich darauf mit ihrem Notebook-Rucksack zurückzukommen. »Der Staigerhof punktet zwar nicht mit der Abgeschiedenheit der Berge …«, sie warf ihrer Schwester und den
Wilden Küken
einen vorwurfsvollen Blick zu, »aber immerhin gibt’s dort elektrischen Strom!« Und damit war sie auch schon zur Tür hinaus.
Seufzend holte Gelatino den Verbandskasten aus der untersten Schublade der Kommode, strich Wundsalbe auf den kaum noch sichtbaren Schnitt an seinem Daumen und klebte ein Pflaster darauf. »Wer huift mit, an Weidezaun reparieren?«
Erst meldete sich niemand, aber dann wies Ole auf Erik und Mitch. »Ihr
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