Die Winterchroniken von Heratia 1 - Der Verfluchte (German Edition)
Erscheinung treten, bedeutet nicht, dass wir nicht existieren.« Die Stimme des Wesens war kalt wie Eis, was Delren nach dessen Auftreten nicht wunderte. Doch sie klang menschlicher als die eines Utera oder Galdana.
Palsashi … Delren strich Theidre geistesabwesend übers Fell. Der Gott des Eises und des Flusses Palsa. Er hatte schon viele Geschichten von ihm gehört, meist in Form von Märchen. Palsashi wurde in einem Atemzug als ebenso gütig wie grausam beschrieben, der Schöpfer verheerender Schneestürme und der mysteriöse Wanderer, der in eiskalten Winternächten verirrte Kinder wieder sicher nach Hause leitete.
»Was wünscht Ihr von uns?« Mashdin legte den Kopf schief und musterte den Gott abschätzend.
Palsashi verzog keine Miene. Vermutlich bestand er wirklich aus Eis und Schnee und seine Gesichtszüge waren festgefroren. »Ich habe euch beobachtet.« Er hob einen Arm und deutete der Reihe nach auf jeden von ihnen, als würde er wie eine Marionette an einem Faden hängen. »Das Mädchen scheint in Schwierigkeiten zu stecken.«
Delren kniff die Augen zusammen. »Serrashil! Wo ist sie?« Es war ein Unterschied, ob man eine Gefahr lediglich vermutete oder sie bestätigt bekam. Er musste stark an sich halten, um nicht von Theidre zu springen und die Antwort aus dem Gott herauszuschütteln. Seine Hände krampften sich um die Zügel.
»Normalerweise mische ich mich nicht in Angelegenheiten, die Sterbliche betreffen, doch ich will eine Ausnahme machen. Ohne es zu wissen, hat sie mich an der Seite eines Mannes passiert und ist in der Stadt verschwunden, die ihr Menschen Xoanu nennt.«
Blinzelnd versuchte Delren, den Sinn zu erhaschen, der hinter Palsashis Worten steckte. Ohne es zu wissen … War sie betäubt? Bewusstlos? Schlafend? Mit ‚ihn passiert’ meinte der Gott wohl den nach ihm benannten Fluss, immerhin befand sich Xoanu am anderen Ufer.
Blieb nur noch eine Frage zu klären. »Wer war der Mann an ihrer Seite? Wie sah er aus? Was trug er?«
»Seiner Kleidung nach zu urteilen handelt es sich um einen Diener der Götter. Die Frage nach seinem Sein kann ich dir nicht beantworten. Ich merke mir keine Namen von Sterblichen.«
Ein Priester, Xoanu, Serrashil … Die Erkenntnis traf Delren wie ein Schlag. Kie schien demselben Gedankengang zu folgen, denn sie wirbelte zu ihm herum.
»Kerib!«, stießen sie beide gleichzeitig aus.
»Er wusste, wie Serrashil aussieht! Und was bitte will ein Priester in Xoanu? Er ist nur mit uns gereist, damit er sie abfangen kann!«, führte Kie ihre Überlegungen atemlos weiter aus. Delren wusste nicht, ob es kirchliche Einrichtungen in Xoanu gab, da er von der Stadt zum ersten Mal vor dem Antritt ihrer Reise gehört hatte, aber Kies Worte ergaben Sinn.
»Kerib … Aber weshalb sollte er sie aufhalten wollen?«
»Er wird mit den Erpressern zugange sein«, warf Mashdin nachdenklich ein. »Serrashil hat in ihrem Brief doch geschrieben, dass Carath von irgendjemandem um sein Seelentier erpresst wird …«
»Wir müssen uns beeilen. Kie, komm zurück auf den Sattel!«, drängte Delren, doch seine Freundin hörte nicht auf ihn.
»Warum unterstützt Ihr uns auf unserer Suche nach Serrashil?«, hörte er sie fragen und hätte ihr am Liebsten den Mund zugehalten, wenn er nur näher bei ihr gewesen wäre. Sie waren nicht in der Position, die Hilfe eines Gottes zu hinterfragen.
»Ich stehe nicht gerne in der Schuld von anderen.« Palsashi nickte Mashdin zu.
Delren warf dem Utera einen Blick zu. Ein Gott hatte sich bei ihm etwas zuschulden kommen lassen?
»Vielen Dank«, erwiderte Mashdin, während Kie sich daran machte, auf Theidres Rücken zu klettern.
»Eines noch«, hielt der Gott sie zurück, als Delren sein Rushkro gerade antreiben wollte. »Du solltest nach Jadestadt reisen, Mashdin. Lass es dem Jungen, sich um sein Mädchen zu kümmern, und sorge dich lieber um die Menschen, die du liebst.«
Delren sah, wie Mashdin die Stirn runzelte. »Wenn Serrashil entführt wurde, können sie meine Hilfe gebrauchen. Anschließend werden wir sofort nach Jadestadt aufbrechen. Es sollte nicht zu viel Zeit in Anspruch nehmen und ich sehe keine direkte Gefahr für die Menschen, die mir wichtig sind.«
Palsashi legte den Kopf schief. »Es ist deine Entscheidung.« Mit diesen Worten war er verschwunden.
Delren wartete nicht lange, sondern schnalzte mit der Zunge und ließ Theidre loslaufen. »Wie kommen wir am schnellsten nach Xoanu?«, rief er nach hinten.
»Von der
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