Die Winterchroniken von Heratia 1 - Der Verfluchte (German Edition)
nächsten Stadt aus fahren Fähren über den Fluss. Wir müssen dein Rushkro bei einem Gasthaus oder Stall oder dergleichen unterbringen und uns hinüberbringen lassen«, antwortete Mashdin.
»Wie kann ein Gott in Eurer Schuld stehen?«, drang Kies Stimme von ganz hinten zu Delren vor.
»Das ist eine lange Geschichte und sie geschah lange vor deiner Geburt. Ich ziehe es vor, mich auf den Weg zu konzentrieren, der vor mir liegt.«
Delren hätte sich gewundert, wenn sie sich mit dieser Antwort zufrieden gegeben hätte. »Hat es damit zu tun, dass Palsashi immer noch unter den Sterblichen wandelt, obwohl alle anderen Götter schon längst verschwunden sind?«
»Nein, neugierige Menschentochter. Ein paar deiner Art haben sich damals mit ihm angelegt und wollten ihn bändigen.« Delren sah aus den Augenwinkeln, dass Mashdin mit einer Hand zum Fluss wies. »Ich habe ihm geholfen, sich aus den Ketten zu befreien, die sie ihm auferlegten. Die Menschen haben es schon lange vergessen, doch ein Gott denkt weit zurück. Wobei ich nicht vermutet hätte, dass er sich bei mir revanchiert. Palsashi ist so unberechenbar wie die tosenden Fluten eines Flusses.«
»Darüber hätte ich eine Abhandlung schreiben können …«, sagte Kie verträumt. »Bleibst du noch ein bisschen in Jadestadt, sobald wir Serrashil gefunden und Carath eingefangen haben? Wir müssen uns unbedingt eingehend unterhalten. Du weißt nicht zufällig auch, warum die anderen Götter verschwunden sind?«
»Kie, dafür haben wir jetzt keine Zeit!«, rief Delren zurück. Wie konnte sie in dieser Situation einen Kopf für ihre Abhandlung haben? Sie konnte Mashdin mit ihren Fragen nerven, sobald sie mit Serrashil sicher zurück in Jadestadt waren.
Kie sagte nichts mehr und so ritten sie schweigend weiter, bis sie die Stadt erreichten und sich um ihre Überfahrt nach Xoanu kümmern konnten.
Kapitel 18
Ein stechender Schmerz pochte durch ihre Schultern. Serrashil stöhnte leise. Ihre Nackenmuskulatur war schmerzhaft verspannt und etwas in ihrem Mund machte ihr das Atmen schwer. Unbequem verdreht ruhte ihr Körper auf einem kalten Steinboden. Beim Versuch, sich zu bewegen, scheiterte Serrashil kläglich an etwas, das ihre Arme und Beine an den Gelenken zusammenhielt.
Blinzelnd schlug sie die Augen auf. Mattes Licht erhellte den Raum, in dem sie sich befand. Wenige Meter vor ihr stand ein Tisch, auf dem sich mehrere Trinkbecher befanden. Es war keine Menschenseele zu sehen.
Ein weiteres Mal versuchte Serrashil, sich zu bewegen. Ein Knebel steckte in ihrem Mund und kratzige Seile verhinderten, dass sie ihre Arme und Beine gebrauchen konnte. Ihr Herzschlag beschleunigte sich, als sie sich ihrer misslichen Lage bewusst wurde. Jemand hielt sie hier fest und sie konnte nichts tun, um sich zu wehren.
Angestrengt versuchte sie sich zu erinnern, was geschehen war. Der süßliche Geschmack in ihrem Mund half ihr auf die Sprünge: Betäubungsmittel … Jemand hatte sie ihrer Sinne beraubt und verschleppt, während sie Carath verfolgt hatte. Sie versuchte zu schlucken, um die Trockenheit in ihrer Kehle loszuwerden. Was wollte man von ihr? In einem Anflug von Hilflosigkeit schloss sie die Augen und presste ihre Stirn an den kalten Boden. Sie kannte in Uratha weder Land noch Leute und hatte keine Vorstellung davon, aus welchen Gründen man hier entführt werden konnte. War es für eine Frau nicht üblich, alleine zu reisen, und hatte sie sich deshalb zum Freiwild für anrüchige Männer gemacht? Aber welche Vergewaltiger arbeiteten mit Betäubungsmittel? Da war es billiger, sich eine Hure zu besorgen – oder? Falls der Entführer ihr Geld haben wollte, hätte er es ihr längst nehmen und sie zurücklassen können. Aber was wollte man von ihr?
Schritte und Stimmen näherten sich und ließen sie aufschrecken. Panisch zerrte sie an den Stricken, doch diese scheuerten lediglich ihre Haut auf, statt nachzugeben und zu reißen. Als die Tür geöffnet wurde, erstarrte Serrashil und beobachtete mit wild klopfendem Herzen die drei Schuhpaare, die den Raum betraten. Die dazugehörigen Körper konnte sie nicht sehen.
Stimmen sagten etwas in einer Sprache, die sie nicht verstand. Die drei Personen traten um den Tisch herum und blieben vor ihr stehen. Die vorderste von ihnen erregte sofort Serrashils Aufmerksamkeit und hätte ihr die Sprache verschlagen, wenn sie nicht geknebelt gewesen wäre. Der Priester, der mit ihnen gereist war! Wie war sein Name gewesen? Kerib? Fassungslos
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