Die Winterchroniken von Heratia 1 - Der Verfluchte (German Edition)
Verzerrt hallte sie zwischen den hohen Wänden des Gewölbes wider. Ein Wächter kam auf sie zugeeilt, mit seiner silbernen Rüstung unter dem weißen Wappenrock wirkte er fehl an einem dunklen Ort wie diesem. Schweißperlen standen auf seiner Stirn, als er außer Atem bei ihnen ankam. Es war nicht der Wächter, der Serrashil den Eintritt verwehrt hatte, wie sie zu ihrem Bedauern feststellte. Sie hätte ihm zu gerne bewiesen, dass sie Recht gehabt hatte.
»Shira zum Gruße.« Der Wächter verneigte sich vor ihnen, nachdem er Serrashil skeptisch gemustert hatte. »Sucht Ihr einen Gefangenen?«
»Ja. Ich möchte gerne zum Galdana Carath.« Serrashil warf Seran einen Seitenblick zu. »Alleine. Vielen Dank, dass Ihr mich hierher gebracht habt.«
»So schnell wird man nicht mehr gebraucht. Ich hoffe, dein kleiner Freund verrät dir, was du wissen willst.« Der Utera wirbelte herum und verschwand in dem kleinen Treppenaufgang.
Serrashil folgte dem Wächter zu einer der Türen, die er mit dem Schlüsselbund an seiner Seite öffnete. Sie unterdrückte den Zwang, die Luft anzuhalten, als sie über die Schwelle trat. Es stank erbärmlich und war deutlich dunkler als auf dem großen Gang. Die Türen hatten wieder normale Größe und aus einigen von ihnen drangen lallende Beschimpfungen. Dahinter mussten wohl Betrunkene der letzten Nacht einsitzen, die nicht die vorgeschriebene Trauerruhe eingehalten hatten. Schließlich hielt der Wächter vor einer Tür weiter hinten, wo es merklich ruhiger geworden war.
»Ihr habt eine halbe Stunde.« An seinem Schlüsselbund suchte er nach dem passenden Schlüssel, schloss auf und ließ Serrashil eintreten.
Caraths Zelle war kaum so groß wie eine Besenkammer und verfügte nur über eine zerfledderte Pritsche und einen Nachttopf. Der Winterelf saß auf dem schmutzigen Laken, den Rücken gegen die Wand gelehnt, und beobachtete jede ihrer Bewegungen aus halb geöffneten Augen.
Serrashil atmete tief durch und trat einen Schritt näher. »Wie geht es dir?« Der Galdana trug immer noch Verbände am ganzen Körper und dort, wo seine Haut weder von Verbänden noch Kleidung bedeckt wurde, hatte er rote Brandwunden.
»Ich weiß, wer Arkanura genommen hat.«
»Arkanura? Dein Haelra?« Serrashils Herz schlug höher. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass es so leicht werden würde. »Wer hat sie entführt und woher weißt du es?«
»Ein Mann war hier.« Caraths Hände ballten sich zu Fäusten. »Er sagte, ich bekomme sie wieder, wenn ich hier herauskomme. Aber ich komme hier nicht heraus.« Mit einer Hand fuhr er über die Mauer. »Die Wände lassen sich nicht sprengen.«
»Nein, du darfst die Wände auch nicht sprengen.« Serrashil atmete tief durch. »Sie werden dich hier herauslassen, sobald wir wissen, wer Arkanura entführt hat. Wer steckt dahinter?«
Carath bedachte sie mit einem Blick, der ihr die Haare zu Berge stehen ließ. »Seran«, zischte er voller Wut.
Kapitel 26
Kerib zögerte, ehe er die Tür öffnete und sich in den persönlichen Gebetsraum des Hohepriesters schob. Nedrin kniete mit dem Rücken zu ihm vor einem Schrein der Göttin Gishera. Weihrauch wabberte durch den kleinen Raum und ließ Kerib die Nase krausziehen. Von dem intensiven Geruch wurde ihm übel.
Nedrin erhob sich langsam und wandte sich zu ihm um. Seine Wangen waren eingefallen und tiefe Ringe zierten seine Augen. Er sah so aus, als hätte er die letzten Tage weder gegessen noch geschlafen.
»Was genau hast du an dem Satz: ‚Niemandem soll ein Haar gekrümmt werden’ nicht verstanden?«, fragte er bedächtig, während er die Hände vor dem Körper faltete. Zu bedächtig.
»Wie ich einen Gott töten lassen soll, ohne dass jemandem etwas passiert«, erwiderte Kerib wahrheitsgemäß. »Ihr seid ein Narr, wenn Ihr glaubt, einen Krieg ohne Opfer führen zu können.«
Nedrins Schulter zuckte und kurz erwartete Kerib, dass der Hohepriester ihn schlagen würde. Dieser beherrschte sich jedoch und schloss stattdessen die Augen. »Rinartin hat es nicht verdient, zu sterben. Er war ein guter Mensch«, presste er hervor.
Kerib schnaubte abfällig. »Nicht verdient … Wer seid Ihr, dass Ihr zu entscheiden glaubt, welches Lebewesen sterben darf und welches nicht? Rinartin war genau das Opfer, das wir brauchten. Hätten wir den Kampf mit dem Verfluchten Gott direkt aufgenommen, wären noch viele mehr gestorben und wir hätten kaum Aussicht auf Erfolg gehabt.«
Nun hatte er den Bogen überspannt. Mit einem
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